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DIE NIEDERLAGE IN SACHEN HOMO-EHE IST FÜR BUSH AUCH EIN SIEGWahlkampfpolitik

Kein Verfassungsverbot der Homoehe: US-Präsident George W. Bush hat im US-Kongress eine Niederlage einstecken müssen, die sich für ihn bezahlt machen könnte. Wäre es Bush und seinen konservativen Republikanern wirklich darum gegangen, die Verfassungsänderung durchzubringen – sie hätten den Antrag nicht jetzt zur Abstimmung gestellt, sondern hinter den Kulissen weiter gearbeitet, um wenigstens sicherzustellen, dass nicht sechs Senatoren aus den eigenen Reihen mit den Demokraten stimmen. Aber darum ging es diesmal nicht.

Fast immer in den letzten Sitzungsmonaten vor einer Wahl kommen Anträge oder Gesetzesentwürfe vor den Kongress, die sich um die hoch ideologisierten, polarisierenden Fragen der US-Politik drehen, bei denen alle Argumente längst ausgetauscht sind: Abtreibung, Legalisierung von Marihuana zu medizinischen Zwecken, kontrollierter Schusswaffenbesitz, gelegentlich die Todesstrafe oder eben die Homoehe. Etliche dieser Vorschläge haben keine Chance auf Verwirklichung oder sind schlicht überflüssig. Sie bieten jedoch die Chance, sich neu und lautstark zu positionieren, um die Stammwählerschaft zu mobilisieren. Das ist auch diesmal geglückt. Wer sich für die Rechte von Schwulen und Lesben engagiert, gehört ohnehin nicht zu Bushs Wählerreservoir, wer strikt dagegen ist, könnte dieses Thema plötzlich für wichtiger halten als andere.

Aber auch die Demokraten haben die Chance genutzt. Kandidat Kerry vertrat zwar eine seiner unerträglichen Wackelpositionen, indem er sagte, er sei gegen die Homoehe, hätte aber gegen den Verfassungszusatz gestimmt, weil es nicht Sache der Bundesgesetzgebung sei, sich in solche Fragen einzumischen. Aber das reicht den AktivistInnen und verprellt niemanden.

So können letztlich alle zufrieden sein. Um das Thema präsent zu halten, will im September auch das Repräsentantenhaus noch ein Votum abgeben. Das ist im gesetzgeberischen Prozess noch überflüssiger. Aber Klappern gehört eben zum Geschäft. BERND PICKERT

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