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Sonne, Wasser, Brückenfunktion

Von wegen Zukunftsvision: Mit den gestern vorgestellten Konzepten für studentisches Wohnen und die Quartierszukunft auf der Veddel ist Hamburgs Sprung über die Elbe so gut wie durchgeführt, finden Senat und beteiligte Wohnungsvermieter

Die Bewohner in spe „wollen unbedingt nach Hamburg“ – der Senator vernahm es gern

von Alexander Diehl

Der Senator schwärmt. Von der „Brückenfunktion zwischen Hafencity und dem Hamburger Süden“ zum Beispiel, die der Veddel zukomme. Aber mindestens so begeistert zeigte sich Michael Freytag gestern vom Blick aus dem dritten Stock des schmucken Backstein-Ensembles am Müggenburger Zollhafen: Himmel und Wasser, der Hafen und – nach ihrer Fertigstellung – Auswandererhallen und „BallinStadt“. Hier zu investieren, so der Senator, das sei der erste Schritt des Sprungs über die Elbe. Und der wird in dieser Stadt ja beinahe so beliebig im Munde geführt wie das Leitbild von deren Wachstum als Selbstzweck.

Gerade mal zwei Minuten seien es vom Hauptbahnhof mit der S-Bahn, haben die Pressestellen von Stadtentwicklungsbehörde und SAGA/GWG ausgerechnet, und wenn es auch ein wenig länger dauert: Schlecht gelegen ist es nicht, das Quartier südlich der Norderelbe, von dem der Senat immer wieder behauptet, hier werde Hamburgs neue Mitte liegen. „Hier haben wir Areale“, so Freytag, „die jahrelang nicht auf der Sonnenseite des Lebens lagen. Wenn auch nicht in diesem Sommer – die Sonne kommt.“

Neue Bevölkerungsschichten sollen dazu in die derzeit rund 1.000 Wohnungen gelockt werden, die SAGA und GWG in den 20er-Jahre-Mietskasernen auf der Veddel zu vergeben haben. Der Trumpf dabei heißt studentisches Wohnen: „Runter mit der Miete, rauf auf die Veddel“, so betiteln die beiden Wohnungsunternehmen ein entsprechendes Förderprogramm, das der Senat mit jährlich 100.000 Euro unterstützt. Die Wohnungen werden courtagefrei abgegeben, die Miete derart bezuschusst, „dass sie nicht mehr als 178 Euro pro Person beträgt“, so die GWG – mit dem Kleingedruckten, dass „der genaue Mietpreis unter anderem von Wohnungsgröße und Anzahl der Mitbewohner“ abhänge.

Wenn die Menschen erst mal da sind, so die Hoffnung, dann verändert sich auch der Stadtteil. Freytag spricht von „entsprechender Infrastruktur“, von „Kneipen und Restaurants“, von Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten. Um das zu erleichtern, sind auch die Gewerbemieten im Stadtteil befristet subventioniert: Die ersten zwei Jahre lang zahlen die Betreiber der vorgesehenen Bäckerei oder auch des geplanten Waschcenters geradezu kleinstädtische drei Euro pro Quadratmeter.

Zum Zollhafen hin wird derzeit ein Boulevard aus dem Boden gestampft, an anderer Stelle, im Norden, soll die Veddel sogar einen richtigen Strand bekommen. Das sieht der siegreiche Entwurf des Planungswettbewerbs „Studentisches Leben auf der Veddel“ vor, der gestern vorgestellt wurde. Zentrale Bedeutung hat für Ingrid Algren-Wolf, Architekturstudentin an der HAW, der alles verbindende Grünzug. Den gibt es schon, ein kaum idyllisches Dickicht hinter den Häusern Am Zollkanal. Hier werde aber nochmal „geordnet“, wie SAGA-Chef Lutz Basse betont.

Zusammen mit den Chefetagen-Kollegen und dem Senator, Quartiersentwicklern und -Vermarktern war Basse gestern nicht ohne Grund in den dritten Stock der Hausnummer 5 hinaufgestiegen. Mit einigem Hallo sollten da nicht zuletzt die ersten Nutznießer des neuen Programmes präsentiert werden: Gerhard Reuß und Sandra Taubner „wollen unbedingt nach Hamburg ziehen“ – der Senator hörte es gerne. Er sei gefragt worden, ob er denn an die Idee „Veddel“ glaube, so SAGA-Chef Basse – „Wir haben vor 20 Jahren auch daran geglaubt, dass Ottensen einmal so wird, wie es heut ist. Wir haben an St. Pauli geglaubt und an das Schanzenviertel.“

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