: Wer darf fragen?
Klaus Wowereit gibt sehr gern Interviews. Doch mit einem Redakteur der „Berliner Zeitung“ mag der Politiker nicht sprechen – weil der zu kritisch ist
AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG
„Das aktuelle Stück lohnt sich von der Story her zwar keineswegs, aber immerhin ist das senatsinterne Kasperletheater hochrangig besetzt: Kasperle (Klaus Wowereit) findet das Teufelchen (Harald Wolf) echt doof. Denn das Teufelchen hat sich mit der bösen Hexe (Heidi Knake-Werner) verbündet. Die kochen jetzt zu zweit ein leckeres rotes Süppchen. Und weil der Kasperle dabei leer ausgeht, will er es ihnen versalzen. So. Seid ihr alle noch da, liebe Kinder?“
Mit etwas anderer Besetzung, aber demselben Kasperle, läuft derzeit noch ein ähnliches Stück in Berlin, dass eine neue Facette in der Auseinandersetzung Presse contra Politik beleuchtet. Denn das Teufelchen, das diesen Text über Zwistigkeiten in der rot-roten Hauptstadtregierung am 15. Juli in der Berliner Zeitung schrieb, heißt Jan Thomsen. Gemeinsam mit zwei anderen Redakteuren des Blattes wollte Thomsen in derselben Woche den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zum Thema Hartz IV und die Folgen für die Hauptstadt interviewen.
Prinzipiell wollte sich Wowereit durchaus auch gern befragen lassen – aber nicht von Jan Thomsen. „Auf die Ankündigung, dass neben unserem Lokalchef (…) auch Jan Thomsen Interviewpartner sein werde erklärte [der stellvertretende Senatssprecher Günter] Kolodziej, dass Sie gerne bereit seien, das Interview zu führen, aber nicht mit Thomsen“, heißt es in einem Brief der Chefredaktion der Berliner Zeitung an Klaus Wowereit, der der taz vorliegt.
Dass Politiker immer häufiger in Interviews eingreifen, die sie zur Autorisierung erhalten, hatten auf taz-Initiative mehrere Tageszeitungen in den letzten Monaten thematisiert. Was als freiwillige Vereinbarung zur Vermeidung von Missverständnissen begann, wird von Politikern missbraucht, um Aussagen zu verdrehen oder Fragen zu zensieren. Dass wie im aktuellen Beispiel an ein Interview bestimmte Bedingungen geknüpft werden, dürfte auch kaum ein Einzelfall sein, genauso wenig wie die Reaktion: Das Interview fand nämlich nicht statt.
Für sein Blatt gelte nun einmal der „Grundsatz, dass wir beim Interview Herr über die Fragen sind – auch darüber, wer sie stellt. Unser Gesprächspartner ist seinerseits Herr über die Antworten“, schreibt Berliner-Zeitungs-Chefredakteur Uwe Vorkötter weiter. Falls, wie vom Senatssprecher angedeutet, das Ganze eine Retourkutsche für die „kritische Kommentierung“ des beanstandeten Redakteurs sei, „würde mich dies befremden“, so Vorkötter weiter: „Dass sich Politiker, insbesondere Regierungschefs, sich ihre Interviewpartner selbst aussuchen, entspricht ganz und gar nicht meinem Verständnis von Pressefreiheit.“ Eine Antwort auf dieses knapp zwei Wochen alte Schreiben stehe noch aus, hieß es gestern bei der Berliner Zeitung.
Was allerdings daran liegen dürfte, dass Wowereit nach Auskunft von Senatssprecher Kolodziej vom 21. bis 29. Juli urlaubte. Das Gespräch mit der Berliner Zeitung bestätigte Kolodziej gestern der taz. Dabei habe er formuliert, dass die Chancen für ein Interview „größer werden, wenn die andere Seite nicht unbedingt darauf besteht, dass Herr Thomsen daran teilnimmt“.
Lutz Tillmanns vom deutschen Presserat, der Selbstkontrolle der Printmedien, sagte, es sei eine „korrekte Reaktion, wenn sich eine Zeitung die Fragesteller nicht vom zu befragenden Politiker aussuchen“ lasse. Im Übrigen, so Tillmanns, unterstreiche ein solches Kasperletheater „nicht eben die Souveränität des Interviewpartners“.
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