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„Die Türkei gehört zu Europa“

Gerhard Schröder sagt der Türkei deutsche Unterstützung bei der angestrebten EU-Mitgliedschaft zu und wirft der Union „billige Polemik“ vor. Der türkische Ministerpräsident Erdogan stellt die Umsetzung der innenpolitischen Reformen in Aussicht

aus Berlin JENS KÖNIG

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte seinen ersten Deutschland-Besuch am Montagnachmittag noch gar nicht begonnen, da schlug der innenpolitische Streit über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei schon seine ersten hohen Wellen. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos kündigte an, den EU-Beitritt Ankaras zum Thema des Europawahlkampfes zu machen. Claudia Roth, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, ließ mit ihrer Erwiderung nicht lange auf sich warten und warf der CSU eine „fast rassistische Hetzkampagne“ vor. Dann begann das übliche Hin und Her zwischen SPD und Grünen einerseits sowie Union und FDP andererseits, was die seit langem umstrittene Frage betrifft, ob die Türkei zu Europa gehört.

Diese hohen Wellen schwappten am Dienstag bis ins Kanzleramt hinein, und so war die deutsche Innenpolitik für einen Moment auch Thema des Gesprächs zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten und dem deutschen Bundeskanzler. Gerhard Schröder gab in der anschließenden Pressekonferenz kurzzeitig seine staatspolitische Zurückhaltung auf und warf der Opposition „billige Polemik“ und „populistisches Wahlkampfgerede“ vor. Auch Tayyip Erdogan fühlte sich herausgefordert, der Union in gebotener Zurückhaltung seine Meinung mitzuteilen. Es dürfe in Deutschland keinen innenpolitischen Kampf über den EU-Beitrittswunsch der Türkei geben, sagte er. Das würde die 2,5 Millionen türkischen Landsleute, die in Deutschland lebten, sehr beunruhigen. Vor diesem Hintergrund darf man auf die heutige Begegnung von CDU-Chefin Angela Merkel mit dem türkischen Ministerpräsidenten sehr gespannt sein.

Ansonsten verlief das Treffen zwischen Schröder und Erdogan so, wie man das nach der bisherigen Türkei-Politik der Bundesregierung erwarten durfte. Der Bundeskanzler machte deutlich, dass Deutschland den türkischen Wunsch nach Mitgliedschaft in der EU unterstützt. Er erinnerte daran, dass seit dem deutsch-türkischen Vertrag von 1963 jede Bundesregierung der Türkei den Weg nach Europa in Aussicht gestellt habe. Es wäre „fatal“, so Schröder, wenn die Erwartungen, die Deutschland damit in der Türkei geweckt habe, jetzt enttäuscht würden. Ein EU-Beitritt der Türkei nach den 2002 auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen aufgestellten Kriterien sei „im geopolitischen Interesse Europas“ sowie „im nationalen deutschen Interesse“. Der Kanzler sagte, er habe „großen Respekt“ vor den Fortschritten in der türkischen Gesellschaft. Die eingeleiteten Reformen seien außerordentlich hilfreich, den türkischen Wunsch nach einer EU-Vollmitgliedschaft zu erfüllen.

Erdogan war von so viel warmen Worten sichtlich gerührt. „Die deutsche Hilfestellung macht uns das Leben leichter“, sagte er. Der türkische Ministerpräsident wies jedoch auch auf die eigenen Hausaufgaben hin. Die in den letzten Monaten verabschiedeten Reformpakete müssten jetzt umgesetzt werden. Es mache ihn „traurig“, sagte Erdogan, wenn er höre, die Türkei gehöre nicht nach Europa. Europa sei doch keine Kultur-, Religions- oder geografische Gemeinschaft, sondern eine Wertegemeinschaft. Als indirekten Beitrag zur deutschen Türkei-Derbatte fügte er hinzu: „Wir müssen beweisen, dass es in Europa keinen Krieg der Kulturen gibt.“

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