: Höhere Grenzwerte werden verschwiegen
Betreiber des AKW Cattenom wollen mehr Schadstoffe in Mosel leiten. Grüne verlangen Öffentlichkeit für die Pläne
FRANKFURT/M. taz ■ Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer und der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete der Grünen, Reiner Marz, haben jetzt das Ergebnis einer beim Darmstädter Öko-Institut in Auftrag gegebenen Studie vorgelegt. Dabei ging es um die von der Betreibergesellschaft des französischen AKW Cattenom beantragte Erhöhung der Grenzwerte für die Einleitung von radioaktiven Schadstoffen in die Mosel.
Aus dieser Untersuchung gehe hervor, dass die neu angestrebten radioaktiven Einleitungen aus dem Mammut-Kraftwerk an der Mosel die deutscher Reaktoren „um ein Vielfaches übersteigen“ würden. Breyer: „Anstatt sich an das Gebot der Minimierung der radioaktiven Einleitungen zu halten, verweigern die Kraftwerksbetreiber offensichtlich in skandalöser Weise die technische Nachrüstung der Anlage.“ Die betroffenen Gebietskörperschaften und auch die Bürgerinnen und Bürger seien daher aufgefordert, im laufenden Planoffenlegungsverfahren ihren Protest anzumelden. Darüber hinaus müssten die betroffenen Bundesländer und Anrainerstaaten Deutschland und Luxemburg politische Initiativen ergreifen, um die Reaktoren in Cattenom mindestens so lange herunterzufahren, „bis sie dem derzeitigen Stand der Technik Genüge tun“.
Den Landesregierungen in Saarbrücken und Mainz warfen die Grünen vor, das Problem der Neufestsetzung der radioaktiven Grenzwerte für Cattenom der Öffentlichkeit „über Wochen hinweg verschwiegen“ zu haben. Durch ihr „Nichtstun“ hätten die Umweltminister dort verhindert, dass die Bürger ihre Rechte im Rahmen des Offenlegungsverfahrens wahrnehmen konnten. Genau das, so Breyer, sei ein „eindeutiger Verstoß gegen geltendes Recht, insbesondere gegen die EU-Richtlinie zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Projektplanungen“.
Da die Landesregierungen an Saar und Rhein auch jetzt der Öffentlichkeit die Planungsunterlagen nicht zugänglich machten, dränge sich der Verdacht auf, dass die Umweltbelastungen weiter totgeschwiegen werden sollten.
Die Grünen im Europaparlament kündigten an, diesen „Verstoß gegen die Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit“ in einer Beschwerde von der Europäischen Kommission prüfen zu lassen. Breyer lädt inzwischen mögliche EinwenderInnen ein, sich in ihrem „Europabüro“ in Trier zu informieren; dort seien auch übersetzte Fassungen der Antragsunterlagen der Cattenom-Betreibergesellschaft EDF (Energie de France) in deutscher Fassung erhältlich.
Der saarländische Umweltminister Stefan Morsdorf (CDU) wies den Vorwurf der Untätigkeit zurück. Morsdorf kündigte an, die so genannte Kommission zum Schutz der Mosel einzuberufen, der alle Anrainerstaaten angehören. In einem Schreiben an Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) bat der Landesminister zudem um „Auskunft darüber, wie in dieser Angelegenheit weiter verfahren werden soll“.
Atomkraftgegner in Deutschland monierten inzwischen, dass die Überschreitung von Grenzwerten bei der Einleitung von radioaktiven Stoffen in die Flüsse bei den deutschen AKW „nicht unüblich“ sei; und zwar ganz ohne offiziellen Antrag. Insofern sei der Genehmigungsantrag von EDF mit der Offenlegung der Unterlagen wenigstens in Cattenom und Umgebung doch schon ein Fortschritt.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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