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schröder erklärt sichVerstörender Auftritt

Eine Erklärung des Kanzlers war überfällig. Die anschwellende Protestbewegung und die Ängste, die Hartz IV bei großen Teilen der Bevölkerung auslöst: Wenn ein Regierungschef meint, das ließe sich allein auf gezielte oder versehentliche Fehlinformation zurückführen, dann muss er Skeptiker überzeugen. Gerhard Schröder hat das nun versucht. Aber er ist auf so dramatische Weise gescheitert, dass es besser gewesen wäre, er hätte geschwiegen. Falsche Form, falsche Inhalte. Ein verstörender Auftritt.

KOMMENTARVON BETTINA GAUS

Schröder hat sich nicht mit einer Rede an die Öffentlichkeit gewandt, sondern ein kurzes Statement abgegeben und danach Fragen beantwortet. Das zeugt von einer Unterschätzung weit verbreiteter Sorgen. Wer Angst hat, ist bereit, zuzuhören. Es ist aufschlussreich, dass der Kanzler ausführliche Erläuterungen gegenüber einem breiteren Publikum derzeit offenbar noch nicht für notwendig hält.

Dabei hat Schröder durchaus eine klare Botschaft zu verkünden. Das ist Teil des Problems. Denn sie lautet: Wer die Politik der Bundesregierung kritisiert, ist entweder böswillig (also muss ihm das Handwerk gelegt werden) oder naiv (also muss er verständnisvoll auf den rechten Weg gebracht werden). Das kennt man. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Amtszeit des Bundeskanzlers dessen Behauptung, seine Politik sei „alternativlos“. Wie zahlreiche Korrekturen bewiesen haben, war und ist sie das keineswegs. Ebenso wenig wie jede andere Politik. Wäre es anders, dann könnten wir uns Wahlen gleich schenken.

Wenn ein Regierungschef angesichts einer so sensiblen Frage wie dem Umbau der Sozialsysteme seinen Gegnern vorwirft, „parteipolitische Süppchen“ kochen zu wollen, dann zeugt das von einer seltsam vordemokratischen Weltsicht. Damit soll nicht der Versuch von Teilen der Union entschuldigt werden, sich aus gemeinsamer Verantwortung zu stehlen. Aber Parteienstreit als solcher ist nicht nur legitim, sondern sogar geboten. Also ist es auch nicht verwerflich, wenn die PDS ihre Weltsicht in politische Forderungen münden lässt.

Wer denen konkret widersprechen will, muss Antworten parat haben. Hat Schröder die? Offenbar nicht. Die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes begründete er damit, die sei doch bereits beschlossene Sache. Das dürfte nicht reichen. In einer Hinsicht wirkte der Kanzler allerdings glaubwürdig: nämlich darin, dass er seine Kritiker nicht versteht. Das macht die Sache nicht besser.

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