: Die kleine Sexismuskunde für Büro und Werkbank
DER BÜROHENGST
Die Situation: Ein Mann, eine Frau, weitere Mitarbeiter. Sie geht durch den Raum. Er ruft ihr hinterher: „Hey, sexy Outfit!“
Das Problem: Die Öffentlichkeit. Der Bürohengst ist jemand, der in dem Laden eher wenig zu sagen hat und sich nun aufzuwerten versucht. Deswegen brüllt er seine Anmachen heraus, damit es möglichst viele Jungs mitbekommen. Es geht ums Positionieren innerhalb der männlichen Hierarchie über den Hintern der Frau.
Die Lösung: Für sie: Machen Sie sich über ihn lustig! Rufen Sie zurück: „Wäre schön, wenn ich das über deine Klamotten auch mal sagen könnte!“ Für ihn: Komplimente unter vier Augen kommen viel besser an!
DER VERKLEMMTE KOLLEGE
Die Situation: Keine. Der Klemmer vermeidet jeden direkten Frauenkontakt. Er agiert im Hintergrund. Man erkennt den Klemmer daran, dass er Frauen nie direkt anschaut und an den Witzen mit anderen Männern auf dem Flur, die sofort versiegen, wenn eine Frau vorbeikommt. Und an blöden Kommentare über Frauen im Intranet, in dem er sich sicher fühlt.
Das Problem: Der Büroklemmer hat Angst vor Frauen, und versucht, mit seinem Sexismus verbündete Männer zu finden. In seiner Angst teilt er die Welt in klare Dichotomien ein. So kann er sofort seine Feinde erkennen. Wir gegen die.
Die Lösung: Für sie: Nicht überfordern! Reden Sie einen verklemmten Kollegen nie auf dem Gang an, das erschreckt ihn. Machen Sie kurze, verständliche Sätze. Büroklemmer sind ärgerlich, weil sie ständig versuchen, die weiblichen Kollegen aus allen Arbeitsabläufen rauszudrängen. Sie müssen den Büroklemmer ernst nehmen, denn er behindert Ihre Karriere.
Für ihn: Angst abbauen. Üben Sie täglich in Alltagssituationen den Umgang mit Frauen! Am besten erst mit Fremden, dann fällt es weniger auf, wenn Sie wortlos die Flucht ergreifen. Sagen Sie „Guten Morgen“ zur Busfahrerin oder „Vielen Dank“ zur Kassiererin.
DER VÄTERLICHE ERDRÜCKER
Die Situation: Eine junge, unerfahrene Frau wird vom älteren Chef „entdeckt“ und grenzenlos gefördert. Bei Kritik an ihrer Arbeit stellt der Chef sich vor sie. „Die experimentiert noch. Da steckt Großes drin.“
Das Problem: Aus der Perspektive des Sexisten ein gelungener Zug. Öffentlich steht er als väterlicher Gönner da, hinter vorgehaltener Hand vermutet man, dass er ein Verhältnis mit der Frau hat. Die Arbeit der Untergebenen wird von niemandem mehr ernst genommen, da sie ja das „Mädchen“ des Chefs ist und somit auch nie zu dessen Konkurrentin heranwachsen kann.
Die Lösung: Für sie: Wechseln Sie den Betrieb oder suchen Sie sich andere Betätigungsfelder, in die der Chef nicht reingrätschen kann!
Für ihn: Die Rolle des Gönners kann Sie schnell alt aussehen lassen. Allzu viel Wohlwollen hat einen großväterlichen Beigeschmack. Wollen Sie wirklich als jemand angesehen werden, der nicht mehr mitspielt?
DIE PROBLEM-ABSCHIEBERIN
Die Situation: Zwei Frauen. Die eine macht die andere oft auf sexistische Angriffe aufmerksam und gibt ihr gute Ratschläge. „Du musst dich aber wirklich dagegen wehren.“ Sie selbst allerdings tut nix.
Das Problem: Projektion. Eine Menge Menschen projizieren ihre eigenen Unzulänglichkeiten gerne auf andere und geben denen dann Tipps, wie sie damit umgehen sollen. Eine andere Frau auf Sexismus aufmerksam zu machen, ist besonders einfach und sehr beliebt. Allerdings reicht man damit nur die Verantwortung weiter. Das Problem selbst bleibt bestehen.
Die Lösung: Nehmen Sie die Kollegin ernst, aber fordern Sie Solidarität von ihr! Am besten mit mehreren, auch männlichen Kollegen. Erklären Sie den Sexisten gemeinsam, was Ihnen nicht passt. Dann ist es nicht mehr ein persönliches Problem eines „Mimöschens“.
JUDITH LUIG, 34, ist Redakteurin des taz.mag und wäre wohl ein Bürohengst, wenn sie denn ein Mann wäre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen