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Streit um Steinbach

Debatte um „Zentrum gegen Vertreibung“ eskaliert. Verbandspräsidentin wird als NS-Domina karikiert – und zündelt selbst in der „Jungen Freiheit“

von MATTHIAS BRAUN

Seit gestern sorgt das „Zentrum gegen Vertreibung“ einmal mehr für schlechte Laune bei allen Beteiligten. Und diesmal geben zwei Streithähne sich so richtig Mühe. Das polnische Magazin Wprost zeigt die deutsche Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach als nationalsozialistische Domina, die auf dem Rücken von Bundeskanzler Gerhard Schröder reitet. Das anstößige Titelbild hängt an vielen Bushaltestellen polnischer Großstädte. Werbung für die Zeitung, Propaganda gegen das geplante „Zentrum gegen Vertreibung“, dem die CDU-Politikerin vorsitzt.

Aber auch Erika Steinbach hat ihren Teil beigesteuert. In einem Interview mit der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit warf sie dem SPD-Abgeordneten und erklärten Gegner ihres Konzepts, Markus Meckel, gestern indirekt vor, das Klima für solche Ausfälle mitgeschaffen zu haben. Meckel habe die polnischen Proteste gegen das Zentrum „bestellt“, so meldeten es die Agenturen.

„Das habe ich so nicht gesagt“, sagte Steinbach gestern der taz. Tatsächlich bestätigte ein Redakteur der Jungen Freiheit, das Wort „bestellt“ nachträglich in eine Interviewfrage hineinredigiert zu haben. Steinbach hielt aber im Grundsatz an ihrer Meckel-Schelte fest. „Er hat die Diskussion nach Polen getragen.“ Im Junge-Freiheit-Interview liest sich das so: „Erst als – übrigens ausgesprochen engagiert – von Deutschland aus […] Ängste geschürt wurden, erhob sich […] Kritik.“ Dahinter stecke Meckel.

„Ich bin erstaunt, welchen Einfluss Frau Steinbach mir zutraut“, sagte der Gescholtene. Der Vorwurf sei absurd. Er wolle aber nicht über Personen diskutieren, sondern über das Projekt. Und Meckel warb noch einmal für seinen jüngsten Vorschlag: Die Staatspräsidenten der beteiligten Länder sollten eine gemeinsame Kommission berufen, die sich über Inhalt und Standort des Zentrums einigen müsse.

Sowohl Meckels Vorschlag als auch Steinbachs Einlassungen stießen bei dem früheren SPD-Politiker Peter Glotz auf wenig Gegenliebe. Glotz teilt sich mit Steinbach den Vorsitz des Zentrums. „Ich hätte weder der Jungen Freiheit ein Interview gegeben, noch hätte ich solche Vermutungen angestellt, wie Erika Steinbach es getan hat“, sagte er. „Wir sind ja keine Klone“, beschrieb Glotz das Verhältnis zu seiner Kovorsitzenden. Richtung Meckel sagte Glotz, wer jetzt sämtliche Staatspräsidenten in das Projekt einbeziehen wolle, hänge es zu hoch.

Ein Polen-Besuch Steinbachs hatte in den vergangenen Tagen zu heftigen Diskussionen im Nachbarland geführt. Den Wprost-Titel bezeichnete ein Sprecher der Bundesregierung schon am Mittwoch als „geschmacklos“.

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