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Drohung im Abo

Der Kanzler hat – wieder mal – mit seinem Rücktritt gedroht. Die Presse hat mitgezählt: Es war die achte Hinschmeiß-Warnung von Schröder

BERLIN taz ■ Gerhard Schröder hat es wieder getan. Er hat gestern mit seinem Rücktritt gedroht. Es war seit Beginn seiner Kanzlerschaft das achte Mal.

Die erste Rücktrittsdrohung stammt vom März 1999, auf dem Höhepunkt des Machtkampfes mit Oskar Lafontaine. „Es wird einen Punkt geben, wo ich die Verantwortung für eine solche Politik nicht mehr übernehmen kann“, sagte Schröder damals im Kabinett und sorgte dafür, dass die Bild-Zeitung umgehend davon erfuhr. Die bis gestern Mittag letzte Hinschmeiß-Ankündigung datierte vom 25. September. „Wenn ihr mir nicht folgen wollt, könnt ihr euch einen anderen suchen“, sagte der Kanzler auf einer Sitzung mit SPD-Landes- und Bezirkschefs.

Die aktuelle Rücktrittsdrohung Schröders muss ab jetzt mit folgenden Daten angegeben werden: Dienstag, den 30. September 2003, gegen 14.15 Uhr, auf der Festveranstaltung des neu gegründeten Konvents für Technikwissenschaften (akatech) in Berlin. Seine Stimmung: ernst, gelassen. Schröder sprach gerade über die Reformschwierigkeiten in Deutschland, da löste er sich plötzlich von seinem Manuskript und sagte spontan (?): „Ich sage Ihnen eines, mein politisches Schicksal will ich ganz bewusst verbinden mit der Durchsetzung dieser Reformforderungen.“ Die Schröder-Watcher sollten sich die Eckdaten dieser Rücktrittsdrohung sehr genau notieren – es wird mit Sicherheit nicht seine letzte gewesen sein.

Am 17. Oktober steht im Bundestag die Abstimmung über die Hartz-Gesetze zur Reform des Arbeitsmarktes auf dem Programm. Mehrere der sechs SPD-Abgeordneten, die gegen die Gesundheitsreform stimmten, haben bislang nicht erkennen lassen, dass sie diesmal nachgeben werden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hat die Kritiker jedoch vorsorglich aufgefordert, sich bis Sonnabend zu den Abstimmungen zu erklären. In einem Schreiben an alle Abgeordneten bittet Müntefering darum, dass „wesentliche Fragen und Anregungen zum weiteren Gesetzgebungsverfahren“ ihm persönlich bis zum 4. Oktober „schriftlich oder mündlich“ übermittelt werden. In der Fraktion heißt es, mit dem Brief wolle Müntefering den Kritikern Gelegenheit geben, ihre Bedenken einzubringen, damit am Ende die Mehrheit steht. Wenn nicht, kommt Schröders Rücktrittsdrohung Nummer neun. JENS KÖNIG

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