: Für die SPD ist das Glas halb voll
Peer Steinbrück sieht Kölns Sozialdemokraten im Aufwärtstrend. Eine Umfrage bestätigt den Ministerpräsidenten. Für Schwarz-Grün weist das Stimmungsbarometer nichts Gutes aus
von Pascal Beucker
Eine Hochzeitsgesellschaft fährt laut hupend vorbei, gerade als Peer Steinbrück es wieder sagt: „Man darf sich nicht in die Furche legen!“ Das ist zurzeit einer der Lieblingssätze des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten mit dem gerade nicht so hoch im Kurs stehenden sozialdemokratischen Mitgliedsbuch. Ob bei „Christiansen“ in der ARD oder beim SPD-Straßenfest in Köln: Er wiederholt ihn ständig.
Denn Steinbrück will kämpferisch wirken. In der Politik sei es schließlich „wie im Fußball: Über das Kämpfen kommt man zum Sieg“, verkündet er auf der kleinen Bühne auf dem Rudolfplatz am Samstag den knapp hundert Zuhörern.
Optimismus will der Spitzen-Sozi der verzagten Parteibasis vermitteln: Es stehe gar nicht mehr so schlecht um ihre Partei, gibt sich Steinbrück überzeugt. Nicht einmal in Köln. Schließlich habe er heute die neueste Wahlumfrage gelesen: „Das Pendel kommt langsam, langsam zurück!“ Neben ihm stehend, nickt das kölsche SPD-Spitzenduo Jochen Ott und Martin Börschel kräftig.
Die hiesigen Sozialdemokraten sind bescheiden geworden. Inzwischen können sie sich auch über die kleinen Dinge des Lebens freuen. Beispielsweise darüber, dass sie bei der jüngsten vom Kölner Stadt-Anzeiger und dem Express in Auftrag gegebenen Umfrage des Bonner Meinungsforschungsinstituts OmniQuest nur noch knapp unter 30 Prozent liegen. Vor ein paar Jahren hätte ein solches Umfrageergebnis noch Weltuntergangsstimmung ausgelöst. 1999 und schon mitten im tiefen Affären- und Skandalsumpf versinkend, holten die Domstadt-Genossen immerhin noch 30,3 Prozent. Schlimmer geht‘s nimmer, dachten sie damals.
Nun können sie sogar mit einem Umfrageergebnis von 29 Prozent Aufbruchstimmung verbreiten. So kurios es klingt: Der SPD könnten ihre desaströsen Resultate in diesem Jahr zur Hilfe kommen. Denn es ist ja alles nur eine Frage der Perspektive: Wenn sie als Vergleichsmaßstab nicht ihr Ergebnis von vor fünf Jahren, sondern die 23,8 Prozent von der Europawahl oder die 22 Prozent bei der OmniQuest-Befragung vom Juni nehmen, können die Kölner Sozialdemokraten nun wieder etwas hoffnungsfroher in die Zukunft blicken.
Für das schwarz-grüne Ratshausbündnis hingegen weist das Stimmungsbarometer nichts Gutes aus: Die gemeinsame absolute Mehrheit scheint inzwischen in Gefahr. Denn die CDU muss mit gerade erdrutschartigen Verlusten rechnen: Von 45,3 Prozent 1999 droht ihr der Absturz auf 33 Prozent.
Zwar könnten die Grünen sich von 15,9 Prozent auf 18 Prozent steigern. Aber das würde nur geringfügig die Verluste des Koalitionspartners ausgleichen. Zudem bekommen durch die neue Umfrage die hochfliegenden Träume der grünen Partei einen herben Dämpfer: Bei der Europawahl noch knapp hinter den Sozialdemokraten, bei dem darauf folgenden Meinungsbild sogar deutlich vor ihnen, sahen sich nicht wenige der einstigen Ökopaxe schon „auf dem Weg zur Volkspartei“ – obwohl grüne Wahlkampfstrategen, wie Kölns Vize-Fraktionschef Jörg Frank, frühzeitig vor falscher Euphorie warnten.
Auf jeden Fall spricht zurzeit alles dafür, dass es nach dem 26. September bunt werden dürfte im neuen Kölner Stadtrat: Neben der FDP, die gegenwärtig bei 7 Prozent liegt, und der PDS die mit gegenwärtig 3 Prozent nur knapp unter jenen magischen 4 Prozent liegt, die ihr den Fraktionsstatus bescheren würde, dürfen sich auch die diversen Wählergruppen und -vereinigungen von links bis rechts berechtigte Hoffungen auf Ratsmandate machen. Ob „Kölner Bürger Bündnis“, „gemeinsam gegen sozialraub“, „Ökologische Linke“ oder die rechtsradikalen Formationen: Sie liegen zusammen als „andere“ bei 11 Prozent.
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