maut: Standort Absurdistan
Die Lkw-Maut ist ein Ärgernis. Nicht weil sie erst nächstes Jahr startet, sondern weil die Bundesregierung flickt und küngelt. Dahinter verbirgt sich eine absurde Vorstellung einer Wirtschaftsförderung am Standort Deutschland. Eine Wirtschaftsförderung, die eine gute, eine ökologische Verkehrspolitik diskreditiert. Und damit nicht genug: Die Kosten dafür trägt der Steuerzahler.
Kommentar von HANNA GERSMANN
Dabei sollte gerade die Kilometergebühr für Lastwagen für mehr Kostengerechtigkeit sorgen: Wer viel fährt, die Straßen besonders stark abnutzt, der soll auch für Bau und Erhalt zahlen. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil damit die umweltverträglichere Schiene vergleichsweise billiger und attraktiver wird.
In Österreich oder der Schweiz funktioniert das seit langem – inklusive einfacher Abrechnungssysteme. Zu einfach für den Standort Deutschland, zu einfach für die rot-grüne Bundesregierung. Hochmütig entschied sie sich gegen die erprobte Technik. Die Maut sollte der neue Exportschlager „Made in Germany“ werden, die deutsche Industrie endlich wieder vorne mitspielen.
Die Regierung wollte einen deutschen Partner – die Konzerne DaimlerChrysler und Deutsche Telekom wollten den Auftrag. Dass sie der Berliner Koalition Hightech auf Autobahnen innerhalb einer aberwitzig kurzen Zeit versprachen, ist nicht verwerflich. Dass sich die Regierung davon blenden ließ, schon. Anders als jeder private Auftraggeber pochte sie nicht auf Konventionalstrafen, verließ sich schlicht auf leere Versprechungen. Den Bürger kostet das jeden Monat knapp 160 Millionen Euro, eine Verschiebung bis März eine Milliarde Euro. Das ist ein Fünftel des Straßenbaubudgets.
Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe hat den schlampigen Vertrag nicht unterzeichnet – dafür ist sein Vorgänger Kurt Bodewig verantwortlich. Deshalb ist es auch unangemessen, Stolpes Rücktritt zu fordern. Was sich der Minister allerdings vorwerfen lassen muss, ist sein miserables Krisenmanagement.
Schon als brandenburgischer Ministerpräsident hat er bei Großprojekten wie der Cargolifter-Halle der Industrie aufgeblasene Versprechen abgenommen. Jetzt ist Stolpe einmal mehr die Kontrolle über die Konzerne entglitten: Auch gestern konnte er Toll Collect zu keiner verbindlichen Zusage bewegen. Stolpes Glaubwürdigkeit ist dahin, die der deutschen Wirtschaft auch. Was bleibt ist die Einsicht: Im Falle der Maut hätte dem Standort die ausländische Technik mehr geholfen – etwa die der Maut-erprobten Schweizer.
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