: Steuern sollen Stoiber ausbremsen
Im unionsinternen Streit um das richtige Gesundheitskonzept glauben CDU-Politiker eine Lösung gefunden zu haben. Sie wollen bei den Kopfpauschalen hart bleiben – aber das Steuerkonzept der CDU ändern und Gutverdiener mehr belasten
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Sie können es nicht mehr hören. Wo auch immer sich CDU-Politiker in diesen Tagen blicken lassen, ob im TV-Studio oder im Kreisverband von Hintertupfing, immer will man nur eines wissen: „Wie wird euer Gesundheitskonzept denn nun aussehen? Wann einigt ihr euch endlich?“
Der ungelöste Streit mit der CSU sei eine „schwärende, offene Wunde“, klagte gestern der Sprecher des CDU-Arbeitnehmerflügels, Hermann-Josef Arentz, und forderte, ja was wohl, einen „Konsens“. Wie der aussehen soll, ließ er freilich offen. Auch die meisten anderen Unionspolitiker haben es inzwischen aufgegeben, so zu tun, als hätten sie eine Antwort. In ihrer Not sagen sie Sätze, die Politiker äußerst ungern sagen. Sie sagen: „Ich weiß es nicht.“ Oder: „Keine Ahnung.“ Sie verweisen auf die Vernunft der Chefs. Angela Merkel und Edmund Stoiber, sagen sie dann, würden schon „irgendwie eine Lösung finden“.
Das Problem ist nur: Ihre Positionen scheinen unvereinbar. Zu sehr haben sich CDU und CSU seit einem Jahr verkeilt. Zu sehr hat sich Merkel auf ihr Kopfpauschalen-Konzept festgelegt. Zu oft ließ Stoiber wissen, dieses System, bei dem die Sekretärin genauso viel für die Gesundheit zahlen müsse wie der Chef, halte er für „unsozial“. Und doch gibt es Optimisten in der CDU, die glauben, den Schlüssel zur Einigkeit in der Union bereits zu haben. Die Lösung liege gar nicht im Gesundheits-, sondern vielmehr im Steuerkonzept der Union, sagt ein Merkel-Sympathisant aus der Bundestagsfraktion. Sagt auch Gerald Weiß, der Vize der CDU-Sozialausschüsse. Beide sind sich einig, dass die CDU in der Gesundheitspolitik voll hinter Merkel stehe und sie unterstütze, bei ihrem „klaren, unbürokratischen, transparenten System der Gesundheitsprämien“ zu bleiben. Der Versuch der CSU, darüber Zwist innerhalb der CDU zu säen, sei „gescheitert“. Das werde man auf den Regionalkonferenzen in den nächsten Wochen merken, wo Merkel „frenetisch gefeiert“ werde.
Was bleibt, sei nur noch eine schlüssige Erklärung, wie der von der CDU versprochene Sozialausgleich für Geringverdiener, die die Pauschale nicht bezahlen können, organisiert werden könne. „Wo soll denn das Geld herkommen?“ – auf diese Frage Stoibers müsse man eine Antwort geben. Und diese könne nur lauten: Das Steuerkonzept der Union muss nachgebessert, Gutverdienende müssen stärker belastet werden als bisher vorgesehen. Nach Informationen der taz wird in der Umgebung Merkels bereits an einer entsprechenden „Nachjustierung“ gefeilt. Demnach könnte Merkel auf dem CDU-Parteitag im Dezember einen Vorschlag machen, nach dem der Spitzensteuersatz im CDU-Konzept entweder von 36 auf 38 Prozent steige. Oder: Der Spitzensteuersatz könnte bereits bei einem geringeren Einkommen greifen als bislang vorgesehen. Fragt sich nur, was der radikale CDU-Steuersenkungsfachmann Friedrich Merz davon hält.
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