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„Faire Kosmetika sind ein Anfang“

Kosmetische Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau oder kontrollierten Wildsammlungen nützen Erzeugern, Hersteller und Verbraucher. Vor allem wenn sie auch aus fairem Handel stammen. Das wird allerdings selten unabhängig kontrolliert

Ein einheitliches Siegel für fair gehandelte Kosmetika fehlt bislang

VON MARTINA JANNING

An meine Haut lasse ich nur Wasser und – Naturkosmetik. Das sagen sich immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher. Doch die steigende Nachfrage birgt Nachteile: Rohstoffe werden vielfach knapp. Radikales Ernten von wilden Pflanzen bis zur Ausrottung und folgenreicher Großanbau nehmen zu. „In Indonesien beispielsweise werden zur Gewinnung von Palmöl große Regenwaldflächen abgebrannt, um Plantagen anzulegen“, berichtet Silvia Pleschka von der Verbraucherinitiative e. V. Die Brände verschmutzen die Luft. Mineraldünger und chemische Pflanzenschutzmittel belasten das Grundwasser. Rodung und Monokulturen laugen den Boden aus, das raubt den Bewohnern der Anbauregionen langfristig ihre Lebensgrundlage.

Radikale Anbau- und Erntemethoden schaden Konsumenten ebenfalls. Sie erhalten Produkte minderer Qualität. Der Begriff „Naturkosmetik“ ist in Deutschland nämlich nicht geschützt. Pestizide gelangen auch in Kosmetika und können zum Beispiel Allergien auslösen. Kosmetikhersteller wie Primavera Life, The Body Shop und die anthroposophisch orientierten Dr. Hauschka und Weleda gehen daher bewusst einen anderen Weg. Sie setzen auf ökologischen Anbau von Kosmetikrohstoffen – und fairen Handel. Meist schon seit vielen Jahren. „Es ist ein wichtiger Teil unserer Firmenphilosophie, dass wir nicht nur auf kontrolliert biologischen Anbau achten, sondern auch die Menschen unterstützen wollen, die dahinter stehen“, sagt Andrea Dahm, Produktmanagerin bei Primavera Life. Das proklamieren auch die anderen Hersteller.

Pleschka hingegen vermutet: „Die Idee wurde wohl aus der Not geboren, um Rohstoffe in guter Qualität zu sichern. Doch durch öko-faire Kosmetik entsteht letztlich eine Win-Win-Situation zwischen Herstellern und Erzeugern.“ Die Firmen erhielten gute Produkte und bänden Rohstofferzeuger an sich – die Produzenten profitierten von besseren Arbeits- und Lebensbedingungen. Denn die Kosmetikfirmen schließen mit den Erzeugern in Afrika, Asien, Lateinamerika, aber auch Süd- und Osteuropa langjährige Verträge. Hinzu kommen Rohstoffpreise, die über dem Weltmarktniveau liegen. Sie sollen nicht nur die Kosten für die Herstellung decken, sondern auch Investitionen in Gemeinschaftsprojekte ermöglichen. So wurden von dem Geld Krankenstationen und Brunnen gebaut, Stromleitungen in Dörfer gelegt und Kinderspeisungen ermöglicht. Vorfinanzierungen sichern die Bauernfamilien und Kooperativen zusätzlich ab – bis zur Ernte und länger.

„Rosen bringen erst nach drei Jahre den vollen Ertrag. Bis dahin bezahlen wir unsere neuen Bauern in Rumänien aber so, als ob sie 100 Prozent erwirtschaftet hätten“, berichtet Catrin Cohnen von Dr. Hauschka. Hersteller finanzieren auch Samen, Setzlinge und Maschinen. Sie schulen die Bauern und Landarbeiter, mit denen sie zusammenarbeiten, und helfen auch bei der Umstellung auf kontrollierte, umweltgerechte Wildsammlungen von Pflanzen. Weleda beispielsweise importiert seit vielen Jahren Ratanhia aus Peru. Diese Wurzel dient zur Herstellung von Zahncremes und Mundwasser. Die steigende Nachfrage führte zur unsachgemäßen Sammlung, die die Pflanze stark dezimierte. Seit 2001 existiert nun eine Ratanhia-Schutzzone, in der mit Bedacht vorgegangen wird. Die Sammler graben nur noch die Nebenwurzeln aus. In Kooperation mit der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) erforscht Weleda zudem die Vermehrung der Ratanhia. Ziel: die gefährdete Pflanze erhalten.

Nicht immer wird fair Gehandeltes ein Erfolg: Als The Body Shop Dufttäschchen und Tagebücher aus fair gehandeltem Papier einführte, blieb er schlicht darauf sitzen. Um den Erzeugern in Nepal nicht kündigen zu müssen, disponierte der Betrieb um. Aus dem Papier entstanden Gutscheine für Kunden und Pressemappen. „Für die Notizbücher haben wir einen anderen Abnehmer gesucht“, erzählt Elisabeth Weyermann, Pressesprecherin des Unternehmens. „So war das Überleben der Produzenten gesichert.“

Während Bio-Kosmetik an dem Gütesiegel „Kontrollierte Naturkosmetik“ vom Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen (BDIH) oder dem Drei-Häuser-Logo von Neuform zu erkennen sind, können Verbraucher fair gehandelte Kosmetika nur schwer identifizieren. Denn anders als bei Kaffee, Tee oder Bananen weist kein einheitliches Label auf den Zusatznutzen hin. Einzig The Body Shop kennzeichnet durch das Logo „Hilfe durch Handel“ Artikel, die fair vertriebene Inhaltsstoffe enthalten.

„Wir bedauern es, dass es kein Label für fair gehandelte Kosmetika gibt“, sagt Pleschka von der Verbraucherinitiative. Das hat allerdings einen Grund: Es gibt nämlich keine Kosmetika, die komplett aus fairem Handel stammen. Für eine Zertifizierung durch Transfair e. V., der deutschen Siegel-Initiative für fair Gehandeltes, müssen mindestens 50 Prozent der enthaltenen Stoffe fair vertreiben sein. Schwierig bei Kosmetika, die fast immer einen hohen Anteil an Wasser oder Fett enthalten. Dennoch: „Wenn von Seiten der Industrie Interesse bestünde, fänden wir bestimmt eine Lösung“, meint Claudia Bruck, Pressesprecherin von Transfair.

Allerdings müssten die Hersteller bei den Kontrollen nachbessern. Denn bislang wachen sie in der Regel selbst über die Einhaltung ihrer Kriterien für den fairen Handel. Unabhängige Gutachter sind eine Ausnahme. Gleichwohl rät Pleschka von der Verbraucherinitiative zum Kauf von Kosmetika mit fair gehandelten Inhaltsstoffen: „Es ist ein Anfang. Vielleicht motiviert er auch andere Hersteller, auf Öko-Anbau und faire Handelsbeziehungen umzustellen.“

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