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Ende einer Abwicklung

Die Nachfolgegesellschaft der I.G. Farben ist pleite. 51 Jahre hat die „I.G. Farben in Abwicklung“ ihr Ende hinausgezögert

aus Frankfurt am Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Aus und vorbei. Nach 51 Jahren lausiger Existenz als Nachfolgeunternehmen der verbrecherischen Interessengemeinschaft (I.G.) Farben meldete die I.G. Farben in Abwicklung gestern beim Amtsgericht in Frankfurt am Main Konkurs an. Die geschickt verschleppte endgültige Abwicklung der Firma, die nach dem Willen der Alliierten und nach der Zerschlagung der I.G. Farben 1945 eigentlich schon im Verlauf der 50er-Jahre hätte erfolgen sollen, ist also doch noch – profane – Realität geworden. Und kein „Shareholder“, der auf die von den Liquidatoren Jahr für Jahr prognostizierten Rückflüsse von verloren gegangenem Vermögen des alten Konzers etwa aus der Schweiz setzte oder auf Entschädigungszahlungen für die nach dem Krieg in der sowjetisch besetzten Zone (später DDR) enteigneten Grundstücke und Gebäude, wird auch nur einen einzigen lumpigen Cent sehen.

Verfahren zur Rückgewinnung von rund 2 Millionen Euro aus der Schweiz, die einmal der I.G.-Farben-Tochtergesellschaft I.G. Chemie gehörten, wurden von der I.G. Farben in Abwicklung schon in den 80er-Jahren alle verloren. Eine Neuauflage dieser Prozesse versprachen sich die Liquidatoren von einer angeblich bevorstehenden Öffnung aller Archive in der Schweiz. Die Besitzer der Aktien der I.G. Farben im Gesamtwert von 1.360.000.000 Reichsmark, deren Wert als Abwicklungskapital im Geschäftsbericht der I.G. Farben in Abwicklung zuletzt mit rund 14 Millionen Euro angegeben wurde, leckten sich weiter die Lippen. Bis heute floss allerdings kein „Räppli“ zurück in die Kasse der I.G. Farben in Abwicklung.

Und bis zuletzt vergeblich waren auch alle Versuche der Liquidatoren, finanzielle Entschädigungen für das verloren gegangene Ostvermögen der I.G. Farben zu erhalten. 1998 verwarf das Bundesverfassungsgericht alle Einsprüche der Liquidatoren gegen entsprechende Urteile der Verwaltungsgerichte. Einzelne Großaktionäre reichten danach noch „persönliche Klagen“ nach, nachdem der Firma als juristischer Person ein Entschädigungsanspruch endgültig aberkannt worden war.

In den Konkurs getrieben wurde die I.G. Farben in Abwicklung jetzt offenbar von finanziellen Problemen der Immobilien- und Beteiligungsgesellschaft WCM. In einem Optionsvertrag war festgelegt worden, dass WCM der I.G. Farben in Abwicklung rund 500 frisch renovierte Wohnungen im Wert von 38 Millionen Euro abkaufen sollte. Doch WCM gab bereits am Mittwoch bekannt, dass sie wegen ihrer Finanzschwierigkeiten diese Wohnungen nicht mehr kaufen wolle. Der Dominoeffekt trat ein. Die ihrerseits bei den Banken mit 28 Millionen Euro verschuldete I.G. Farben in Abwicklung sah sich gezwungen, Konkurs anzumelden. Schließlich verfügt das Unternehmen nach dem geplatzten Deal mit der WCM nur noch über ein immobiles Restvermögen von „fünf bis zehn Millionen Euro“, so einer der Liquidatoren gestern in Frankfurt.

Solle es im Rahmen des Konkursverfahrens noch gelingen, den Wohnungsbestand der I.G. Farben in Abwicklung zu verkaufen, könnten mit dem Erlös die Gläubigerbanken bedient werden, hieß es weiter. Völlig leer ausgehen würden dann die Aktionäre; diese unappetitliche Ansammlung von alten Nazis und jungen Rechtsradikalen, von Pensionären der I.G. Farben und – nach eigenem Bekunden - „unpolitischen“ Börsenspekulanten. Diese Leute brüllten auf früheren Hauptversammlungen der Firma jede Forderung von Mitgliedern von Opferverbänden nach Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter des Konzerns auch schon einmal mit Parolen wie „Juden raus!“ nieder.

Leer ausgehen werden allerdings auch die letzten Überlebenden aus dem konzerneigenen Konzentrationslager Monowitz bei Auschwitz und den Fabriken der I.G. Farben. Die Hauptversammlung der I.G. Farben in Abwicklung beschloss zwar 1999 – spät genug – die Einrichtung einer Entschädigungsstiftung mit einem Grundkapital in Höhe von drei Millionen Mark. Tatsächlich ausgestattet wurde die Stiftung dann aber nur mit 500.000 Mark (umgerechnet 256.000 Euro). Bislang aber floss auch aus diesem minimalen Stiftungsvermögen noch kein einziger Cent auf die Konten der Menschen, die sich für die I.G. Farben fast zu Tode schuften mussten. Deshalb fordert der Dachverband der kritischen Aktionäre die Gläubigerbanken jetzt auf, zu Gunsten der ehemaligen Zwangsarbeiter auf ihre Forderungen in Höhe von 28 Millionen Euro an die I.G. Farben in Abwicklung – und ab heute in Konkurs – zu verzichten (siehe Interview).

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