: NPD erklagt sich Heimat
Leinefelde scheitert mit dem Versuch, der NPD die städtische Turnhalle zu verwehren. Der Bundesparteitag der Rechtsextremen darf dort stattfinden
VON ASTRID GEISLER
Die Rechtsextremen dürfen einen juristischen Erfolg feiern: Die thüringische Gemeinde Leinefelde muss am Wochenende ihre städtische Turnhalle für den NPD-Bundesparteitag öffnen. Das entschied gestern das Weimarer Oberverwaltungsgericht (OVG). Die Richter gaben damit einer Klage der NPD statt und kippten das Urteil des Verwaltungsgerichts aus erster Instanz.
Schon vor Wochen hatte Leinefelde der NPD eine Absage für die „Obereichsfeldhalle“ erteilt. Begründung: ein örtlicher Kampfsportverein brauche die Anlage ebenfalls. Die Sportveranstaltung sei vorrangig. Diese Argumentation überzeugte das OVG nicht. Nach einer mündlichen Verhandlung werteten die Richter den Termin des Kampfsportvereins als vorgeschobene Ausrede. Leinefelde habe die „Ernsthaftigkeit der Anmeldung“ der Kampfsportler nicht belegen können, bemängelte das OVG. Weil die Stadt auch anderen Parteien schon die Sporthalle vermietet habe, müsse sie die NPD nun ebenfalls empfangen. Dies gebiete der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung der Parteien.
Die NPD hatte zuvor angekündigt, den Parteitag im Falle einer juristischen Niederlage notfalls „um zwei bis drei Wochen“ zu verschieben, weil ein Ausweichquartier fehle. Laut NPD-Sprecher Klaus Beier bemühte sich die Partei bundesweit um knapp 25 Anlagen. Vergeblich. Stets seien in letzter Minute andere Termine vorgeschoben worden, um die NPD abzuwimmeln.
Nun steht dem Parteitag in Leinefelde nichts mehr im Weg. Das OVG-Urteil ist unanfechtbar. Auf der Tagesordnung der Delegierten steht die Wahl eines neuen Bundesvorstandes. Mit Spannung wird erwartet, wie zwei der Kandidaten abschneiden: die prominenten Neonazis Thomas Wulff (Szenename „Steiner“) und Thorsten Heise. Beide traten erst kurz vor gut einem Monat der NPD bei. Ihre Nominierung ist Teil des NPD-Projekts „Volksfront von rechts“. Die Hoffnung von NPD-Chef Udo Voigt: Beide könnten eine Brücke von der Partei zu den militanten „Freien Kameradschaften“ schlagen. Kritisiert wird dieser neue Kurs sowohl in der Neonazi-Szene als auch von NPD-Kadern. Der Hamburger Neonazi Christian Worch streut seit Wochen im Internet seine Zweifel am „Volksfront“-Projekt. Auch in der Hamburger NPD hält sich die Begeisterung in Grenzen: Viele „altgediente Kader“ seien „nicht recht bereit, von ihrem alten Denken loszulassen und der Idee der Volksfront zu folgen“, sagte Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck der taz: „Sie können mit den jüngeren, offen neonazistischen Aktivisten nicht viel anfangen.“ Allerdings hat die Hamburger NPD bundesweit wenig Einfluss, andere Landesverbände scheinen die Hamburger Bedenken nicht zu teilen.
Viele NPD-Anhänger schwelgten seit den Erfolgen im Osten in Euphorie, urteilt der Rechtsextremismusexperte David Begrich aus Halle. Offene Diskussionen seien auf NPD-Parteitagen ohnehin nicht zu erwarten. Falls sich trotzdem Widerspruch regt, hat der Vorstand vorgesorgt: Ein Teil des Parteitags findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
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