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BARBARA DRIBBUSCH ÜBER GERÜCHTEMit Alice Schwarzer im KaDeWe

Frauen müssen heute mehr als früher schön, schlank und immer jung aussehen. Das führt zu Stress und Hosenanzug

Meine Freundin Britt kennt ein schlagendes Motto: „Stell dir vor, dein Leben ist ein Roman“, sagt sie, „du spielst die Hauptrolle, aber weißt nicht, was im nächsten Kapitel kommt. Ist doch spannend.“ Wir fahren auf der Rolltreppe aufwärts, in den dritten Stock des KaDeWe. Die Beleuchtung an den Rolltreppen ist Klasse, stelle ich mal wieder fest. Man sieht in den Spiegeln immer ein bisschen bräunlich und leicht unscharf aus, wie auf einer alten Fotografie.

„Je älter man wird, desto mehr Rollen hat man zur Verfügung“, fährt Britt fort, „das Repertoire erweitert sich.“ Wir sind jetzt in der Abteilung mit den Esprit-Klamotten, schwarze Hüfthosen mit Schlag, knallrote Strickjacken, hellblaue Rippenpullover.

Ich bin an diesem Nachmittag eigentlich gar nicht so auf Klamottenkauf. Mir geht das neueste Buch von Alice Schwarzer durch den Kopf. Es handelt davon, dass erfolgreiche Frauen heute mehr als früher unter dem Stress stehen, schön, schlank und immer jung auszusehen. Das sehe man ja an den allseits gefeierten Fernsehjournalistinnen von Maischberger bis Slomka: eine alte und hässliche hätte nach wie vor keine Chance, im Unterschied zu Ulrich Wickert. Es war wirklich deprimierend.

„Schlaghosen machen einfach eine gute Figur“, sagt Britt und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Sie ist in eine Jeans mit Schlag geschlüpft und es stimmt: Die breiten Hüften oben, die schmalen Knie und das ausgestellte Bein unten zeichnen eine anmutige Linie. Britts kleine Wampe ist zwar nicht zu verbergen, aber das macht nichts.

„Eigentlich dachte ich, Schlag ist in unserem Alter out“, sage ich, „aber es sieht gut aus.“

„Teenie-Look muss auch mal sein“, grinst Britt. Sie zahlt und wir wechseln in die Abteilung von Wallis, der Ecke für mittelalte Damen, rein kalendarisch also unser Gebiet. „Nur mal aus Businessgründen kann man so was ja probieren“, meint Britt. Wenige Minuten später steht sie vor mir: im schlammgrünen Kostüm, dessen Jacke die Fettdepots auf der Hüfte vorteilhaft umschmeicheln soll. Darunter hat sie einen Rollkragenpullover aus Seide gezogen, cremefarben, der die Halsfalten verstecken und den Teint frischer wirken lassen soll. Britt sieht aus wie die Chefsekretärin in einer Versicherungsanstalt kurz vor dem Vorruhestand.

„Fett kaschieren, Farben nur noch gedeckt, eine gefährliche Mischung.“ Ich versuche, meiner Stimme einen ironischen Ton zu geben.

Mir fällt das Kapitel über Hannelore Elsner ein, in dem Alice-Schwarzer-Buch. Die Elsner erzählt, wie nervtötend es ist, immer nur als gut erhaltene Endfünfzigerin gehandelt zu werden. Und dass Frauen immer ganz nah an sie heranrücken, wie mit einer Lupe, um zu gucken, ob sie geliftet ist. Die Szene, wie sie im Suff auf einem Mädchenklo einer älteren Damenriege ihre Yoga-Übungen zeigt, mit denen man angeblich optimistisch bleibt, ist schon Klasse.

„Kostüme kann man eigentlich nicht mehr tragen, wenn man über 40 ist“, meint Britt, nachdem sie sich aus dem Wallis-Ensemble geschält hat, „das Neutralste ist immer noch ein Hosenanzug. Probier du doch mal.“ Wir sind vor den Ständern von René Lezard gelandet. Diese anthrazitfarbenen Hosenanzüge sehen wirklich elegant aus. Binnen Minuten könnte ich mich in die PR-Chefin eines Herstellers von Luxusautos verwandeln. Aber heute hab ich es einfach nicht drauf.

„Frauen müssen sich als Männer verkleiden, um ernst genommen zu werden, das schreibt die Schwarzer in ihrem neuesten Buch“, sage ich zu Britt.

„Kenne ich“, gibt sie zurück, „ich erinnere mich an die Stelle, wo die Schwarzer über Madonna herzieht. Die Schwarzer wartet doch nur darauf, dass die Showfrauen älter werden und ihr dann um den Hals fallen vor lauter Selbsterkenntnis.“

Mir fällt darauf nichts mehr ein. Für heute reicht es mir. Wir fahren runter in den zweiten Stock. Outdoor-Abteilung. Ich brauche eine neue Sturmjacke, ganz grundbedürftig. Schließlich wird es Winter und ich wollte schon als Kind Polarforscherin werden. Auch wenn es den Roman dazu noch nicht gibt.

Kostümvorschläge? kolumne@taz.deMorgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH

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