noch fünf tage bis zur wahl bush vs. kerry: Verschwundene Briefwahlunterlagen, ein Medizinmann und Baseball
Fünf Tage vor den Präsidentschaftswahlen in den USA zeigt sich die älteste Demokratie der Welt wieder von ihrer unbegreiflichen Seite: In Broward County, Florida, einem bei den Chaoswahlen im Jahr 2000 stark umkämpften Wahldistrikt, sind rund 58.000 Briefwahlunterlagen, vor vielen Wochen angefordert, nie bei den Wählern angekommen. Die Wahlbehörde schwört, die Unterlagen zur Post gebracht zu haben – aber so schlecht funktioniert nicht einmal die US-amerikanische Fedex. Viele Wähler wollen sich nun zum „Early Voting“ melden, jenem Verfahren der bereits geöffneten Wahllokale, um denjenigen, die am 2. November nicht können, die Stimmabgabe zu ermöglichen. Das bedeutet aber, dass die Behörden jede einzelne dieser Stimmen überprüfen müssen, um eine eventuelle doppelte Stimmabgabe zu vermeiden. Es wäre ein Wunder, wenn das nicht zu einer Flut von Gerichtsverfahren führen würde.
Die beiden Kandidaten reisen unterdessen weiterhin rund 1.000 Meilen jeden Tag, um ihre stets fast wortgleichen Reden zu halten. John Kerry hat dabei seit drei Tagen die im Irak verschwundenen rund 400 Tonnen Sprengstoff zu seinem zentralen Thema gemacht. Nachdem Bush noch am Dienstag einen Reporter, der ihn danach fragte, nur dümmlich schweigend anlächelte, reagierte er Mittwoch erstmals auf den Vorwurf, er habe es versäumt, den Sprengstoff zu sichern: Man kenne die Fakten noch nicht, sagte Bush, und überhaupt: Wenn Kerry Präsident gewesen wäre, wäre Saddam Hussein noch an der Macht und könnte den Sprengstoff an Terroristen weitergeben. Dass die Waffen seit langem von den IAEA-Inspektoren registriert und versiegelt waren, sagt Bush freilich nicht. Ganz der Alte.
Kandidat Kerry ließ sich am Mittwoch von einem Medizinmann der Navajo-Indianer mit heiligem Puder besprühen – und das könnte ihm über die Ziellinie helfen. An gleicher Stelle hatte der Heiler vor sechs Monaten die Baseballmannschaft der Boston Red Sox aus Kerrys Heimatstaat Massachusetts spirituell gestärkt – und die gewannen in der Nacht zu Donnerstag mit ihrem vierten Sieg gegen die St. Louis Cardinals zum ersten Mal seit 1918 den Titel der World Series Champions. Der „Fluch“, der auf den Red Sox lag, seit sie 1920 den Frevel begingen, ihren Wunderspieler Babe Ruth an die New York Yankees zu verkaufen, ist gebrochen. Das sollte Kerry doch auch gelingen. In den meisten nationalen Umfragen liegt er derzeit wieder leicht in Führung. BERND PICKERT
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