: Irak die Front, Saudi-Arabien das Hinterland
Ein Bekennerschreiben einer Gruppe „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ zum Angriff auf das US-Konsulat in Dschidda zeugt von strategischen Verbindungen zwischen dem islamistischen Kampf in Irak und Saudi-Arabien
KAIRO taz ■ Nein, Dschidda liegt nicht im Irak, sondern an der Rotmeerküste Saudi-Arabiens. Obwohl die Reaktionen auf den Überfall auf das dortige US-Konsulat am Montag fast den gegenteiligen Eindruck erwecken. In der Bekenner-Erklärung einer Gruppe namens „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ wird der Terroranschlag paradoxerweise als „gesegnete Schlacht um Falludscha“ betitelt, also jener umkämpften Hochburg der Rebellen im Westirak. Und auch US-Präsident George W. Bush bringt den Anschlag mit dem Wahltermin im Irak im Januar in Verbindung.
Tatsächlich scheint es zwischen militanten Islamisten im Irak und in Saudi-Arabien einen regen Austausch zu geben. Zahlreiche Saudis waren im letzten Jahr den Dschihad-Aufrufen gegen die dortige US-Armee gefolgt und hatten sich ins Nachbarland aufgemacht. Seit ein paar Monaten kehren die ersten zurück und schaffen ein ähnliches Phänomen wie die arabischen Rückkehrer aus Afghanistan, die in den Neunzigerjahren ihre Heimatländer unsicher machten.
Im Frühjahr berichteten irakische Medien erstmals von einer Debatte innerhalb der Militanten über die Frage, wo die Kräfte konzentriert werden sollten: für den „Kampf gegen die ungläubigen Regime in der Heimat“ oder den Dschihad gegen die US-Amerikaner im Irak. Auch die damals vermeintliche Nummer eins al-Qaidas in Saudi-Arabien, der inzwischen erschossene Abdel Asis al-Mukrin, hatte sich per Internet in die Diskussion eingemischt. „Unser Dschihad auf der Arabischen Halbinsel dient dem irakischen Kampf“, argumentierte er.
„Für die Dschihad-Kämpfer sind der Irak und Saudi-Arabien zwei Teile eines einzigen Schlachtfeldes, mit dem Irak als Front und Saudi-Arabien das Hinterland“, sagt denn auch Dia Raschwan, Experte für militanten Islam am Al-Ahram-Zentrum für strategische Studien in Kairo. Jetzt gehe es um taktische Entscheidungen, wo sich die Kräfte konzentrieren sollen. Der Anschlag in Dschidda zeigt, dass der Flügel, der in der Heimat kämpfen möchte, jederzeit zuschlagen kann.
Inzwischen wurden auch mehr Details über das Attentat selbst bekannt, wenngleich sich auch hier die Angaben des saudischen Innenministeriums und des militanten Bekennerschreibens unterscheiden. Nach den offiziellen Angaben kamen bei dem Anschlag fünf „asiatische und arabische Verwaltungsmitarbeiter des Konsulats“ ums Leben. Drei der Angreifer wurden erschossen, ein weiterer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen und ein Fünfter wurde verhaftet.
Im Bekennerschreiben heißt es dagegen, dass nur zwei der Angreifer getötet worden seien, drei hätten sich verletzt in Sicherheit bringen können. Außerdem seien neun Mitarbeiter des Konsulats und deren Bewacher getötet worden.
Zumindest im US-Außenministerium erwartet man offensichtlich weitere Anschläge. Die Botschaft in Riad und die Konsulate in Jeddah und Dahran bleiben bis auf weiteres geschlossen. US-Bürger im Königreich werden aufgerufen, „äußerste Vorsicht walten zu lassen“.
KARIM EL-GAWHARY
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