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taz-Adventskalender (15): Tresortür der Commerzbank in SchlachtenseeDer Coup der Tunnelgangster

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Der Weg führt über eine Wendeltreppe hinunter in die Kellerräume, wo sich die Schließfachanlage befindet. Grauer Teppichboden dämpft den Schritt. Gesichert von Tresortüren aus Stahl, so dick wie Flugzeugwände, wirken die mehreren hundert Schließfächer der Commerzbank Schlachtensee uneinnehmbar.

Reiche würden in Schließfächern ihr Schwarzgeld parken, heißt es gemeinhin. „Wir wissen nicht, was drin ist“, sagt Katrin Hoevel, Leiterin der Commerzbank-Filiale in der Breisgauer Straße in Schlachtensee. Das A und O sei Diskretion. Für große Geldbestände seien die Fächer aber eher zu klein. Wertvolle Schmuckstücke und wichtige Dokumente kämen der Wahrheit wohl näher.

Über den Inhalt der Schließfachanlage haben sich schon viele Leute den Kopf zerbrochen. Allen voran die Polizei. Denn in der Commerzbank-Filiale in der Breisgauer Straße hat der größte Coup der deutschen Kriminalgeschichte stattgefunden. Am 27. Juni 1995 stürmen vier maskierte Männer in die Bank. 16 Kunden und Angestellte werden als Geiseln genommen. Die Forderung: 17 Millionen Mark Lösegeld, einen Hubschrauber und einen Fluchtwagen. Was die vor der Bank postierten Polizeieinheiten nicht wissen: Die Gangster haben zuvor in monatelanger klandestiner Schwerstarbeit einen 170 Meter langen Tunnel von einer Garage unter die Bank gegraben.

Während die vier Täter oben in den Geschäftsräumen scheinbar über das Fluchtauto verhandeln, brechen zwei weitere Komplizen von unten in den Keller und räumen rund 200 Schließfächer aus. Derweil übergibt ein nur mit Badehose bekleideter Polizist 5,6 Millionen Mark Lösegeld. Die Täter verlangen mehr. Niemand ahnt, dass das Geld unten in der Bank in Säcke abgefüllt und auf Skateboards durch den Tunnel in die Garage abtransportiert wird. Als die Polizei Stunden später die Bank stürmt, sind die Täter längst über alle Berge.

Die Sonderkommission „Cobra“ fahndet fünf Wochen nach der Bande. Dann schnappen die Handschellen zu. 1996 werden fünf Täter zu Haftstrafen von 6 bis 13 Jahren verurteilt. Was aber die tatsächliche Höhe der Beute angeht, herrscht bis heute Unklarheit. Ursprünglich war die Summe auf 16,3 Millionen Mark geschätzt worden. Im Prozess wurde die Zahl auf knapp 10 Millionen korrigiert. Wie viel es wirklich war, wird wohl nie bekannt werden. Die Kripo hat von Anfang an vermutet, dass in den Schließfächern der reichen Schlachtenseer mehr Scheine lagerten als von ihnen angegeben wurde. Fünf Millionen Mark sind wieder aufgetaucht.

Von den Einbruchspuren im Keller der Bank ist heute nichts mehr zu sehen. Auch die Bankbelegschaft ist komplett ausgetauscht. Der Nachfrage nach Schließfächern hat der Bankraub keinen Abbruch getan. Er habe nicht gehört, dass jemand wegen des Überfalls sein Fach gekündigt habe, sagt der Apotheker Lehmann, der seinerzeit selbst um geerbte Goldstücke erleichtert worden ist. „Natürlich war das eine Katastrophe“, gibt er zu. „Ich habe gedacht, in ein Bankschließfach bricht bestimmt keiner ein.“ PLUTONIA PLARRE

Morgen: Die Hinrichtungskammer

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