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Milde Gabe rettet harten Hund

Laurenz Meyer will seine RWE-Abfindung größtenteils für Kinderdörfer spenden – und darf im Gegenzug im Amt bleiben. Vorerst jedenfalls. Dabei traut sich kaum noch ein CDU-Politiker, den Generalsekretär öffentlich in Schutz zu nehmen

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Der erste Freispruch kam von Bernhard Vogel. „Es gibt keine Affäre Meyer“, erklärte der Exministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz gestern zu den Vorwürfen gegen CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. „Es gibt nur eine Treibjagd gegen Herrn Meyer.“ Aus all den Berichten und vernichtenden Kommentaren zu den Zusatzverdiensten des Generalsekretärs zog Vogel das Fazit, Meyer sei „nicht irgendetwas Unehrenhaftes nachgewiesen“ worden.

Solche Solidaritätsadressen von Parteifreunden braucht ein Politiker, der trotz heftiger Vorwürfe weitermachen will. Und gestern Nachmittag sah es tatsächlich so aus, als ob CDU-Chefin Angela Merkel den Rat des Altvorderen Vogel beherzigen und zu Meyer halten würde. Ihr Generalsekretär habe zwar einen Fehler gemacht, sagte Merkel, aber angesichts der guten Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren wolle sie die Arbeit mit ihm fortsetzen. Sie akzeptiere Meyers Erklärungen zu den Zahlungen, die er vom Stromkonzern RWE erhielt.

Meyer hatte eingeräumt, im Zusammenhang mit einer Abfindungsvereinbarung in den Jahren 1999 und ein Jahr später im Juli 2000 insgesamt 250.000 Mark (127.822 Euro) von RWE erhalten zu haben – also vor seinem Amtsantritt als CDU-Generalsekretär im November 2000. Das Problem ist nur: Die Abfindung bekam er voll ausbezahlt, obwohl er wenig später wieder für das Unternehmen arbeitete.

Meyer gab zu, ihm sei bewusst, es werde möglicherweise nicht verstanden, „dass ich seinerzeit dieses Geld angenommen habe, obwohl ich in das Unternehmen zurückgegangen bin“. Er kündigte deshalb an, einen Großteil des Betrags von 81.806 Euro an SOS-Kinderdörfer zu spenden. Ob diese milde Gabe ausreicht, um im Amt zu bleiben?

Bis zu Merkels gestrigem Freifahrtschein hielt sich der Beistand für Meyer bei den aktuellen Spitzenkräften der Union jedenfalls in engen Grenzen. CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach hatte schon in der vergangenen Woche kritisiert, es sei „unsensibel“ gewesen, dass Meyer nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär noch monatelang weiter Gehalt von RWE bezog. Gestern verweigerten wichtige CDU-Politiker wie der saarländische Ministerpräsident Peter Müller jeglichen öffentlichen Kommentar, als sie auf die Zukunft Meyers angesprochen wurden. Andere wurden, unter dem Siegel der Anonymität, deutlicher: „Ich glaube, es wird einen neuen Generalsekretär geben“, sagte ein CDU-Führungsmann der taz. Meyer habe seinen „Kredit verspielt“. Es sei kaum zu vermitteln, warum Meyer neben seinen Politikereinkünften hohe Gehaltszahlungen und Vergünstigungen bezogen habe. Noch schlimmer sei, dass er „alles nur scheibchenweise offen gelegt“ habe.

Ein Teilnehmer des Krisentreffens der CDU-Spitze vom Wochenende, bei dem Merkel, Meyer und andere CDU-Politiker über das weitere Vorgehen berieten, sagte, damals sei es darum gegangen, wie man den verheerenden Eindruck korrigieren könne, der durch die zahlreichen Presseberichte entstanden sei. Sein Fazit gestern: „Dieses Bemühen ist offenkundig gescheitert.“ Doch Merkel war offenkundig anderer Meinung.

Damit sorgte sie auch bei der Schwesterpartei CSU für Überraschung. In München hatte man gestern Vormittag bereits fest mit der Ablösung Meyers gerechnet. Meyer, so hieß es, könne „Gegner nicht mehr überzeugend angreifen“. Wenn er Politiker von SPD und Grünen künftig wegen moralischer Verfehlungen anprangere, bekomme er doch „nur noch Lacher“.

Für Merkel bleibt damit nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Hält sie an Meyer fest, muss sie mit weiteren Negativschlagzeilen rechnen. Lässt sie ihn aber fallen, verliert sie nach Friedrich Merz und Horst Seehofer einen weiteren wichtigen Kollegen – und diesmal noch dazu einen, der stets loyal war. Müsste Meyer gehen, blieben nicht mehr viele übrig.

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