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Mit Captain Peer auf hoher See

Ministerpräsident, Landespapa, Menschenfischer? Peer Steinbrück ist der Star des SPD-Wahlkampfs. Neue Umfragen wecken Zweifel an der Strategie, komplett auf den „Kapitän an Deck“ zu setzen

VON MARTIN TEIGELER

Die NRW-SPD hat sich voll und ganz ihrem Regierungschef ausgeliefert. „Er oder ich“ – so lautet das Credo von NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück im beginnenden Landtagswahlkampf. Den CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers will der Regierungschef bei der Wahl am 22. Mai im Alleingang schlagen – und die SPD macht dabei mit. Bestätigt fühlt sich die Regierungspartei durch neue Umfragen des Meinungsforschungs-Instituts Infratest dimap: Rot-Grün hat demnach erstmals seit Jahren eine knappe Mehrheit und bei der Direktwahl des Ministerpräsidenten käme Steinbrück auf 39 Prozent, Rüttgers erreicht nur 25 Prozent. Ein genauerer Blick auf die Umfragedaten zeigt jedoch, wie riskant die Strategie der Personalisierung für die SPD werden könnte.

„Beide Kandidaten haben Schwierigkeiten, ihre eigene Anhängerschaft zu mobilisieren“, sagt Infratest dimap-Chef Richard Hilmer. Gerade einmal 53 Prozent der CDU-Anhänger würden bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten für Rüttgers stimmen, und auch Steinbrück würde mit 69 Prozent nur gut zwei Drittel der SPD-Anhänger bei einer Direktwahl für sich gewinnen. „Steinbrücks Popularität ist steigerungsfähig“, so Hilmer zur taz. Der Amtsinhaber habe in den letzten Monaten zugelegt, profitiere aber auch von der Schwäche des Oppositionsführers, so der Meinungsforscher. In einer Liga mit beliebten SPD-MinisterpräsidentInnen wie Heide Simonis spiele Steinbrück nicht. Nur populäre Amtsinhaber seien jedoch in der Lage, auch gegen negative Trends, etwa aus der Bundespolitik, Wahlen zu gewinnen. Dies sei Bremens Bürgermeister Henning Scherf bei seinem Wahlerfolg im Jahr 2003 gelungen, als er trotz schlechter SPD-Umfragewerte siegte, sagt Hilmer. Dass Steinbrück zu den weniger beliebten Landesvätern zählt, zeigt ein Blick auf die Umfragewerte vergangener SPD-Wahlverlierer (siehe Infokasten).

Steinbrück jedoch strotzt vor Selbstbewusstsein – und freut sich laut eigener Aussage auf das Duell gegen Rüttgers. „Die Menschen in NRW wollen wissen: Wer soll Kapitän an Deck sein?“, sagt der gebürtige Norddeutsche Steinbrück gern. Die Partei, das Wahlprogramm – sie spielen im SPD-Wahlkampf nur Nebenrollen. Plakate mit Steinbrück-Konterfeis sind bereits in Druck.

Kritik an der Steinbrück-Show wird SPD-intern gar nicht oder nur anonym geäußert. „Steinbrück hat sich ja nun wirklich gemacht nach seinem schlechten Start ins Amt“, sagt ein Landtagskandidat und eingefleischter Steinbrück-Skeptiker vom linken Parteiflügel. Und den Wahlkampf vor Ort müsse ja sowieso jeder Kandidat allein bestreiten.

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