: Geister aus der Flasche
Sie werden als Wohlfühl-Wundermittel beworben: stille Wässerchen mit niedrig dosierten Zusätzen an Vitaminen, Mineralien, Pflanzenstoffen oder Kräutern. Im besten Fall bewirken sie nichts
VON MARTINA JANNING
Frage: Was ist das? „Die Kombination von natürlichen Zutaten, Geschmack, Design und Funktionalität erfüllt bislang unbefriedigte Bedürfnisse von Erwachsenen nach einem wohl schmeckenden Getränk, das neben bewusstem Trinkgenuss die Möglichkeit bietet, den eigenen Lifestyle zu unterstreichen.“ Antwort: stilles Wasser mit Zucker, etwas rotem Traubensaft und Rotbuschextrakt. Ipsei heißt das neue Wellness-Getränk aus dem Hause Coca-Cola, zu testen auf der Messe Wellness Plus, die dieses Jahr zum ersten Mal im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin stattfindet.
Für Coca-Cola ist Ipsei ein weiterer Versuch auf der Wellness-Wasser-Welle zu reiten. Der letzte Anlauf mit einem stillen Mineralwasser namens Dasani scheiterte im vergangenen Jahr. Der Konzern stoppte die deutsche Markteinführung, nachdem bekannt geworden war, dass Dasani in Großbritannien aus schlichtem Leitungswasser war und zu viel Brom enthielt, das im Verdacht steht, Krebs zu erregen.
Wie alle Wellness-Getränke verspricht Ipsei einen zusätzlichen Nutzen für die Gesundheit – in diesem Falle durch natürliche Antioxidantien aus Weintrauben und Vitaminen. Die Kombination mit Wasser liegt dabei voll im Trend. Denn nach fruchtsafthaltigen Wellness-Getränken mit Vitaminzusätzen, den ACE-Getränken, sehen Branchenkenner nun „Near-Water-Produkte“ im Kommen. Dabei handelt es sich zumeist um stille Mineralwasser mit niedrig dosierten Zusätzen an Vitaminen, Mineralien, sekundären Pflanzenstoffen oder Kräutern wie Johanniskraut, Ginseng oder Gingko. Laut einer Erhebung des Marktforschungsinstituts A. C. Nielsen stieg der Umsatz des Einzelhandels bei den Wellness-Getränken auf Wasserbasis 2003 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 25 Prozent. Auch 2005 trauen Händler dem Segment Wellness-Drinks das größte Wachstumspotenzial zu, so das Ergebnis einer Branchenumfrage der Getränke Zeitung.
Das Erfolgsgeheimnis? Getränke avancieren immer mehr zum situativen Therapeutikum, beobachtet Stephan Grünewald, Geschäftsführer beim Rheingold-Institut im Köln. Sie sollen eine bestimmte Stimmung erzeugen und den Verbraucher in eine besondere seelische Verfassung bringen, erklärt der Marktforscher. Wellness-Drinks suggerieren kleine Fluchten: Schluck für Schluck gegen Stress und zu mehr Energie, Wohlbefinden, Gesundheit – so die Werbung.
Verbraucherschützer indes warnen: Wellness-Getränke versprechen oft zu viel. Kennzeichnungen seien häufig falsch und Dosierungen für spürbare Wirkungen viel zu niedrig, kritisiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Bei einer Untersuchung von knapp 240 Wellness-, Fitness- und Energy-Getränken seien 14 Prozent zu beanstanden gewesen. Für viele versprochenen Gesundheitswirkungen von Zusätzen wie Apfelessig, Aloe Vera oder Zitronengras gebe es keine wissenschaftlichen Belege, berichten die Verbraucherschützer. Noch schlimmer: In Einzelfällen könnten Produkte der Gesundheit sogar schaden. Beispiel Beta-Carotin, das auch als „Rauchervitamin“ bekannt ist. Studien belegen, dass täglich eingenommenes Beta-Carotin Raucher nicht vor Lungenkrebs schützen kann. Im Gegenteil: Die Lungenkrebsrate und die Sterblichkeit in der untersuchten Gruppe stiegen. Raucher sollten daher auf Beta-Carotin-haltige Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate und Getränke verzichten, rät das Bundesinstitut für Risikobewertung und betont: „Gesundheitlich völlig unbedenklich ist dagegen die Aufnahme von Beta-Carotin aus Obst und Gemüse.“
Nicht minder problematisch sehen Verbraucherschützer den Einsatz von Arzneipflanzen wie Johanneskraut oder Gingko biloba. Entweder seien sie in Wellness-Getränken nur in geringen Mengen enthalten und dann weder nützlich noch schädlich – oder in höheren Dosierungen ein schwer zu kalkulierendes Risiko für die Gesundheit. Daher setzt sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen für eine europaweite Regelung ein, wonach Lebensmittel nur angereichert werden dürfen, wenn damit ein erkennbarer gesundheitlicher Nutzen verbunden ist. Dabei müsse auch festgelegt werden, ob Stoffe mit Arzneicharakter und Substanzen mit bisher ungeklärter Wirkung, wie Taurin oder Glucuronolacton, künftig noch zugesetzt werden dürfen.
Weiter wenden sich Verbraucherschützer gegen irreführende Werbungen. Danach sollen Gesundheitsaussagen wissenschaftlich abgesichert und von der Europäischen Lebensmittelbehörde geprüft sein. Für viele Wellness-Getränke dürfte das das Aus bedeuten.
Das kostenlose Faltblatt „Lebensmittel plus Gesundheit?“ gibt es bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz (Broschürenversand, Postfach 4107, 55031 Mainz) gegen einen mit 55 Cent frankierten langen Briefumschlag
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