: David düpiert Goliath
ARBEITSKAMPF Drei Jahre haben die Arbeiter der Reifenfabrik im mexikanischen El Salto gegen ihre fristlose Entlassung gestreikt. Am Ende übernahmen sie sogar die Fabrik
VON KNUT HENKEL
Es gibt keine andere Alternative, als den Widerstand zu internationalisieren. Wir klopfen seit fast zweieinhalb Jahren an Türen und wir werden es weiter machen. Wir wollen gerne zu einem Symbol für die Arbeiter dieser Welt werden, und dafür müssen wir den Konflikt gewinnen“. Wenige Monate später hatte Jesús Torres Nuño allen Grund zu jubeln. Da gaben die Anwälte der mexikanischen Conti-Tochter klein bei und signalisierten Bereitschaft, das seit drei Jahren von den Arbeitern bestreikte Reifenwerk Euzkadi in El Salto nahe der Millionenstadt Guadalajara an die Arbeiter zu übergeben.
David hatte den milliardenschweren Autozulieferer aus Hannover in einem zähen über drei Jahre währenden Arbeitskampf in die Knie gezwungen. Einem Arbeitskampf, den es so wohl kein zweites Mal gibt, denn die Geschichte des Kampfes um die 1.064 Arbeitsplätze in der Produktion enthält alle Zutaten für einen anständigen Film.
Da ist ein vor Arroganz strotzendes Unternehmen, das die Produktionsanlagen Ende der 90er-Jahre übernimmt und nichts Besseres zu tun hat, als die Produktivitätsnormen in einem hochprofitablen Werk drastisch nach oben zu drehen und obendrein gleich 18 besonders aktive Gewerkschafter vor die Tür zu setzen. So etwas schafft keine entspannte Arbeitsatmosphäre. Begeistert waren die Gewerkschafter der kleinen Betriebsgewerkschaft, mit dem Attribut revolutionär im langen Namen, auch nicht davon, dass der Reifengigant aus Hannover der Belegschaft die in Mexiko übliche Beteiligung von 10 Prozent des Bruttogewinns verweigerte. Statt sich gemeinsam über das Rekordergebnis im Übernahmejahr 1998 zu freuen, wurde der SNRTE vom Käufer, eben Continental, gleich der Fehdehandschuh vor die Füße geworfen.
„Mit gezückten Waffen war das deutsche Unternehmen gekommen“, schreibt Jesús Torres Nuño im Vorwort von „Contra Continental“. Der 47-Jährige ist der ehemalige Generalsekretär der Euzkadi-Gewerkschaft SNRTE und heute Generalsekretär der Kooperative, die täglich rund 8.000 Reifen herstellt und die Produktion, dank eines Kooperationsvertrages mit einem US-Unternehmen, weiter ausbauen will. Ein Erfolg von sage und schreibe drei Jahren Streik. Vom 16. Dezember 2001 bis 17. Januar 2005 dauerte der Ausstand der am Ende noch sechshundert Arbeiter, die einige Monate später die Produktion wieder aufnahmen – nun jedoch in einem Werk, das ihnen zur Hälfte selbst gehörte.
Die Geschichte dieses bemerkenswerten Arbeitskampfes der kleinen Gewerkschaft haben der Konfliktforscher Gregor Maaß und der Politologe Lars Stubbe zusammengetragen. Langjährige Unterstützter von Nichtregierungsorganisationen wie Germanwatch und Fian International analysieren den spektakulären Fall und ihren jeweiligen Beitrag zum Erfolg. Zur Internationalisierung des Widerstands der Euzkadi-Arbeiter mit verholfen hat auch die Solidarität von Kooperativen wie jener des mexikanischen Getränkeproduzenten Pascual oder der mexikanischen Pilotengewerkschaft. Die sorgte mit Freiflügen dafür, dass die Compañeiros um Jesús Torres Nuño ihren Widerstand in die Firmenzentrale in Hannover tragen und die Aktionäre darauf aufmerksam machen konnten, dass Conti mexikanisches Recht gebrochen hatte. So etwas passt nicht zum Image eines Großkonzerns, und Konzernchef Manfred Wennemer musste sich unbequeme Fragen stellen lassen. Weitaus weniger entscheidend für den Erfolg der Euzkadi-Arbeiter war hingegen die Solidarität der deutschen Conti-Arbeiter. Trotz dreier Reisen der hartnäckigen Mexikaner nach Deutschland wurden sie mit der organisierten Conti-Arbeiterschaft in Alemania nicht so recht warm. Dabei kann es sich die Gewerkschaft hierzulande kaum leisten, derartige Erfahrungen erfolgreicher Gegenwehr zu ignorieren, schreibt Oliver Lerone Schultz im zweiten Teil des Buches.
Das Buch stellt nicht nur das erfolgreiche Modell der auf Solidarität und Vertrauen basierenden mexikanischen Kooperative vor, sondern geht auch auf alternative Konzepte wie die solidarische Ökonomie ein. Demzufolge soll es mehr als eine Art Leitfaden für die Globalisierung des gewerkschaftlichen Widerstands liefern – es soll nicht weniger sein als ein Beitrag zur Überwindung des Kapitalismus.
■ Gregor Maaß/Lars Stubbe (Hg.): „Contra Continental. Der Widerstand der mexikanischen Euzkadi-Arbeiter gegen den deutschen Reifenkonzern“. Neuer ISP Verlag 2009, 200 Seiten, 22 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen