: Fehlersuche nach dem Fest
SCHANZENVIERTEL Der Innenausschusses nimmt das Vorgehen der Polizei unter die Lupe
GAL-Innenexpertin Antje Möller
VON KAI VON APPEN
Die Ausschreitungen nach dem Schanzenfest haben ein politisches Nachspiel. SPD und Linksfraktion haben eine Sondersitzung des Innenausschusses der Bürgerschaft beantragt, um die Ursachen der Krawalle zu ergründen. Selbst die GAL-Innenpolitikerin Antje Möller, die den Beginn der Randale hautnah miterlebt hat, gibt die zuletzt durchgängig zur Schau gestellte Zurückhaltung auf: Sie sieht Handlungsbedarf und möchte das Polizeivorgehen durch den Koalitionspartner CDU „überprüft“ wissen.
„Der strategische Ansatz der Polizei hat statt Schutz nur Irritation und Unsicherheit ausgelöst“, sagt Möller. Wo die Vermeidung von Ausschreitungen notwendig gewesen wäre, habe die Polizei Unruhe erzeugt. Schon während des Konzertes seien immer wieder Zehnergruppen von Polizisten durch die stehende und tanzende Menge gedrängt, dies sei durch das „demonstrative Aufstellen“ von Einheiten begleitet worden, die ständig näher zur Bühne gerückt seien. „Was war das Ziel dieser Maßnahmen“, fragt sich Möller nun und hält „das angewendete Konzept für fragwürdig“.
„Über die Ursachen der Eskalation gibt es offenbar unterschiedliche Auffassungen“, sagt der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel. Es gebe schreckliche Bilder und Berichte, gleichzeitig spreche Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) davon, rechtsfreie Räume verhindert zu haben. Dressels Analyse: „Das passt alles nicht zusammen.“
Die Linksfraktion unterstützt die Forderung nach einer Innenausschuss-Sondersitzung. „Wir wollen damit erreichen, dass der Einsatzbefehl der Polizeiführung sowie die Verantwortung des Innensenators für den unverhältnismäßigen und gefährlichen Einsatz offen gelegt wird“, sagt die Innenpolitikerin Christiane Schneider. Zudem hat die Linke die Schanzen-Randale als Thema für die aktuelle Stunde in der Bürgerschaft angemeldet – Tenor: „Eskalationskonzept der Polizei gegen friedliches Schanzenfest – Gewalt löst keine gesellschaftlichen Probleme“. Dabei sollen soziologische Untersuchungen thematisiert werden, die belegen, dass repressive Einsatzkonzepte mit niedriger Einsatzschwelle unwillkürlich zum Gewaltausbruch führen. Solche Konzepte indes lasse der schwarz-grüne Senat derzeit anwenden.
Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose und die mitregierenden Grünen haben die Duldung des Schanzenfestes im Prinzip verteidigt. Auf ihrer Grundlage habe im schwarz-grün regierten Bezirk ein friedliches Familienfest stattgefunden, sagt die Chefin der grünen Bezirksfraktion Gesche Boehlich: „Das war unser Ziel und es ist so gekommen.“
Während sich der Chef der Gewerkschaft der Polizei, André Bunkowsky, mit Kritik am Polizeivorgehen zurückhält – „man kann es anders machen, falsch gewesen war es sicherlich nicht“ – erteilt er einem Verbot des Festes eine klare Absage: „Sonst müsste man auch Fußballspiele, Konzerte und Obama-Visiten verbieten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen