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Mangelhafte Behandlung von Flüchtlingen

ASYLRECHT Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte verstößt das hiesige Asylrecht gegen die Menschenrechte. Die „Drittstaatenregelung“ sei verfassungswidrig, sagen die Forscher

BERLIN taz | Das deutsche Asylrecht verstößt gegen die Menschenrechte und ist weder mit EU-Recht noch mit dem Grundgesetz vereinbar – zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) in einem aktuellen Gutachten. Damit stellen die Forscher den Asylkompromiss auf den Prüfstand, den CDU und CSU nach hitzigen Debatten 1992 zusammen mit SPD und FDP beschlossen hatten.

Damals sorgten vor allem Flüchtlinge aus den ehemaligen jugoslawischen Staaten dafür, dass die Zahl der Asylanträge in Deutschland auf fast 440.000 stieg – im Vergleich zu 2006 etwa, wo in Deutschland nur 20.000 Menschen Antrag auf Asyl stellten, eine hohe Zahl.

Also beschlossen die Parteien, die sogenannte Drittstaatenregelung einzuführen, nach der alle Menschen, die über einen als „sicher“ bezeichneten Transitstaat eingereist sind, ohne jede Prüfung dorthin abgewiesen werden können. Einen Rechtsschutz bekommen die Asylsuchenden dabei nicht – obwohl er ihnen laut EU-Recht zustehe, wie das DIMR kritisiert.

Dieses Problem erkannten bisher mehrere deutsche Gerichte. Mehrfach entschieden Richter, die Abschiebung von Asylantragsstellern vorläufig zu stoppen, obwohl das im deutschen Asylrecht nicht vorgesehen ist – zum Beispiel, wenn die Antragssteller in den „sicheren Drittstaat“ Griechenland ausgewiesen werden sollten. Die Situation der Flüchtlinge in Griechenland wird von Nichtregierungsorganisationen als menschenunwürdig kritisiert.

„Mit diesen Entscheidungen machen die Verwaltungsgerichte Druck. Man sieht, dass da Handlungsbedarf ist“, sagt Karl Kopp, Europareferent der Organisation Pro Asyl. Denn die Krux an dem Asylkompromiss ist, dass der deutsche Gesetzgeber damals alle EU-Staaten für per se zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt hat – offensichtlich ohne zu berücksichtigen, wie sich die Situation in Ländern wie Griechenland entwickeln würde. „Theoretisch gibt es dort für Flüchtlinge ein Bett und Tagesgeld, praktisch bekommen sie nichts zu essen und sind obdachlos“, so Kopp. Er unterstützt deswegen die Forderung des DIMR, das deutsche Asylrecht zu ändern und sich mehr an dem europäischen Recht zu orientieren.

Auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte die jetzige Regelung. So hätten zum Beispiel Roma aus Osteuropa keine Chance auf Flüchtlingsschutz, obwohl sie dort Opfer von rassistischen Pogromen werden und der Staat sie dagegen nicht ausreichend schütze, sagte Jelpke.LANA STILLE

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