: Koalition setzt auf Fernsehstar Fischer
Nach der SPD sind jetzt auch die Grünen für eine Liveübertragung des Fischer-Auftritts vor dem Visa-Untersuchungsausschuss. Die Union müsste den Kameras zustimmen, tut sich aber schwer damit. Doch könnte ja nicht nur der Minister ungestört reden
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Wenn schon, denn schon: SPD und Grüne haben sich in der Visa-Affäre für eine Alles-oder-nichts-Strategie entschieden. Lange Zeit hatten sie versucht, eine Aussage von Außenminister Joschka Fischer im Visa-Untersuchungsausschuss vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl Ende Mai zu verhindern.
Jetzt, nachdem der Fischer-Auftritt am 25. April feststeht, soll er sogar live im Fernsehen übertragen werden. Dafür sprachen sich zunächst der SPD-Ausschuss-Obmann Olaf Scholz und, nach tagelangem Zögern, gestern auch die Grünen aus. Die Union, die im Ausschuss zustimmen müsste, hielt sich zurück.
„Wir gewinnen diesem Vorschlag sehr viel Positives ab“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Man sei sich „sicher“, dass Fischer „nichts zu verbergen“ habe, „weder vor dem Ausschuss noch vor der Öffentlichkeit“.
Die Stoßrichtung ist klar: Rot-Grün gibt sich erstens zutiefst überzeugt davon, dass Fischers Auftritt ein Erfolg wird, und zweitens zutiefst bemüht um Transparenz. Wenn Fischer vor einem Millionenpublikum Rede und Antwort stehen will, so das Kalkül, wer soll dazu schon Nein sagen? Schließlich betonen alle Parteien ständig, ihnen gehe es im Visa-Untersuchungsausschuss vor allem um die Aufklärung der Bürger. Und musste nicht sogar US-Außenministerin Condoleezza Rice letztes Jahr vor Fernsehkameras aussagen, als der US-Kongress die Missachtung von Terrorwarnungen vor dem 11. September untersuchte? Trotzdem waren auch die Grünen nicht sofort und einhellig begeistert. „So einfach geht das alles nicht“, reagierte Grünen-Ausschuss-Obmann Jerzy Montag auf den Vorschlag aus der SPD. Es spreche „manches dafür und manches dagegen“, erstmals Kameras im Untersuchungsausschuss zuzulassen. „Nicht so schön“ sei beispielsweise der Gedanke, dem Ausschussvorsitzenden Hans-Peter Uhl (CSU) „den Auftritt seines Lebens zu ermöglichen“, sagte Montag der taz. Als Ausschussvorsitzender habe „der überaus überparteiliche Herr Uhl“ ein unbegrenztes Rederecht und könnte Fischer so lange fragen, wie er wolle. „Allein dieser Aspekt zwingt mich zum Nachdenken“, so Montag. Andererseits böte sich Fischer umgekehrt die Gelegenheit, „den gesamten politischen Sachverhalt im Zusammenhang darzustellen“. Er könnte also vom Fall des Eisernen Vorhangs bis zur Revolution in Orange in der Ukraine über alles sprechen, was ihm im Zusammenhang mit der Visumpolitik wichtig erscheint.
Das wiederum ist keine schöne Vorstellung für die Union. Und so war von CDU-Obmann Eckart von Klaeden seit Scholzens Vorstoß drei Tage lang gar nichts mehr zu hören. Gerade dieses Schweigen dürfte die Grünen bestärkt haben, den Vorschlag gut zu finden – zeigt es doch nach ihrer Ansicht, dass die Union nervös ist. Der Sprecher der CDU-Fraktion sagte der taz gestern, „der Knackpunkt bei der Entscheidung“ sei, welche Fragen man Fischer stellen könnte. Bisher sei ein Großteil der Akten als vertraulich klassifiziert und könnte nur in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden. Sollte dies so bleiben, werde die Union eine Fernsehübertragung ablehnen.
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