: Lifting wirkt nicht mehr
Seit elf Jahren pflegt Berlusconi das Image vom Siegertypen. Die Italiener haben die Maske inzwischen durchschaut
ROM taz ■ Eigentlich war er nur ein milliardenschwerer Großunternehmer, doch seinen ersten politischen Auftritt zelebrierte er mit dem Gestus eines Staatspräsidenten. Schreibtisch, italienische Fahne, die Bücherfront hinter, ein Bild der Liebsten neben sich – so sahen Millionen Silvio Berlusconi am 26. Januar 1994 im Fernsehen. Italien sei in Gefahr, verkündete er gravitätisch dreinblickend, – in Gefahr, den Kommunisten in die Hände zu fallen. Deshalb habe er beschlossen, das Land zu retten, und zwar ganz einfach durch die Gründung einer Partei, der Forza Italia.
Und während Italiens Linke noch über die politische Lachnummer des selbst ernannten Vaterlandserretters lästerte, zimmerte Berlusconi mit Leuten seines Konzerns die „Partei“ zusammen, castete Kandidaten in seinen TV-Studios und schmiedete eine breite Rechtskoalition zusammen. Sein wahres Erfolgsgeheimnis aber war er selbst: Er habe schon „im Schützengraben der Arbeit“ Unvergleichliches geleistet, verkündete er; nun sei er, der Macher, der Tatmensch, berufen, die „schwätzenden Politikaster“ abzulösen.
Im nach den Mega-Korruptionsskandalen der Altparteien politikverdrossenen Italien kam die populistische Botschaft gut an. Aus dem Stand gewann Berlusconi nur zwei Monate nach der Parteigründung die Wahlen. Doch ebenso schnell scheiterte er an inneren Zerwürfnissen seiner Koalition; als Umberto Bossis Lega Nord die Regierung verließ, musste Berlusconi den Rücktritt einreichen. Und 1996 dann verlor er die Parlamentswahlen gegen Romano Prodi. Fast alle sahen ihn, den „blutigen Amateur“, als politisch gescheitert an – nur er selbst nicht. Berlusconi ergänzte den Erfolgskult um die – bis heute immer wieder bemühte – Opferlegende. Gescheitert sei er an den roten Roben, an den Mailänder Staatsanwälten, die ihn mit „politischen Prozessen“ verfolgten“, und an unzuverlässigen Koalitionspartnern, nicht aber an den Wählern, verkündete er. Berlusconi hatte die Wahlresultate aufmerksam gelesen: 1996 hatte eine klare Mehrheit von 52 Prozent für die italienischen Rechtsparteien gestimmt, hatte Forza Italia erneut allein gut 20 Prozent gewonnen.
Und im Jahr 2000 war seine Stunde wieder gekommen. Den Riss mit der Lega Nord hatte er wieder gekittet, und die erneut geeinte Rechte schlug die zerstrittene Linke erst bei den Regionalwahlen, dann beim nationalen Urnengang 2001. Berlusconi präsentierte sich nicht nur dank der kräftig nachretuschierten Wahlkampfbilder genauso wie sieben Jahre zuvor: als strahlender Held, als Fleisch gewordene Erfolgsstory. Forza Italia verschickte an alle italienischen Haushalte ein Heft, das – garniert mit über 200 Fotos – den von Kind an Genialen feierte, und Berlusconi überhäufte das Land mit Versprechungen.
Für seine letzten Wahlkämpfe dagegen ließ er nicht mehr die Fotos, sondern gleich sich selber nachbessern, unterzog sich erst einem Lifting, dann einer Haartransplantation. Genützt hat es nichts: Nach elf Jahren „Berlusconismus“ hat Italien erstmals klar gegen die Rechte gewählt.MICHAEL BRAUN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen