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Terror und T. Rex

Parallel zur RAF-Ausstellung stellte Bettina Allamoda gemeinsam mit Gästen in den Sophiensælen Popsongs und Filmsoundtracks als Zeichen jugendlicher Militanz vor

„Dass das bloß Geschichten bleiben, die man den Enkeln erzählen kann. Es gibt eine Menge Leute, die hätten ein großes Interesse daran“, mutmaßte Franz Josef Degenhardt Ende der 60er-Jahre. Heute beobachtet man ein großes Interesse daran, dass noch nicht einmal das passiert. Wer die Dutschke-Debatte auf unseren Kulturseiten verfolgt hat, wurde darüber aufgeklärt; spätestens mit dem gestrigen Artikel von Isolde Charim. Der Nostalgievorwurf, so ihre Analyse, ist die Begriffsfeuerwaffe, die die Leute bei ihrer Erkundung der Gefühle rund um einen Aufstand in Schach halten soll.

Um diese Erkundung ging es im Programm zur RAF-Ausstellung der Kunst-Werke in den Sophiensælen. Bettina Allamoda, die mit ihren Arbeiten in der Ausstellung vertreten ist, hatte Ted Gaier von den Goldenen Zitronen und die Autorin Claudia Basrawi eingeladen, damit sie gemeinsam das Musikarchiv durchforschten, das die Tonspur aus den 60er-Jahren bis zum Deutschen Herbst 1977 und darüber hinaus legt, zu den heutigen audiovisuellen Dokumentationen und fiktionalen Aufarbeitungen der Ereignisse von 1968, dem Terrorismus der RAF und ihrer Nachfolgegenerationen, aber auch zur Hausbesetzerszene und zur allgemeinen Renitenz und Unbotmäßigkeit einer Jugend, die noch nicht am Tod eines Papstes verzweifelte.

Und listige Wahl, das Lied, das die Soundgeschichte der Revolution eröffnete, war eben Degenhardt. Nicht mehr nur listig, sondern wirklich erhellend fächerte diese Soundgeschichte den jugend- und subkulturellen Kontext, in dem die RAF für das Trio mit den Geburtsjahren 1962 bis 1964 auftauchte, weit auf. Glam Rock, Sweet, Marc Bolan und T.Rex oder Suzie Quattro waren dann wenigstens so wichtig für die Militanz der Gefühle wie Punk oder Ton Steine Scherben. Deren Manager hackte bei einer frühen Talkshow des WDR den Studiotisch mit dem Beil klein, wie ein Video zeigte. Einerseits, um zu belegen, um welch „scheißliberale Sendung“ es sich hier handelte; andererseits, um im folgenden Chaos die teuren Mikrofone einzusacken, die man gut brauchen konnte.

Die Quellen der Revolte, so die These von Allamoda und ihren Mitstreitern, waren vielfältig, und die Militanz der RAF war eher ein besonders signifikantes Modell unter anderen, keineswegs das maßgebliche Modell schlechthin. Das Geheimnis um das grundlegende Moment jener Zeit der „Revolution als Mainstream“, wie ein Kapitel des kommentierten Plattenauflegens und Filmschauens übertitelt war, enthüllte dann ein Transparent in einem 68er-Agitationsfilm aus Allamodas Archiv. Auf ihm stand zu lesen: „Schaffen wir 1, 2, 1.000 Selbstanwälte“. Selbstermächtigung hieß das weithin plakatierte Geheimnis. Und die Musik spielte weiß Gott dazu. Das war in den Sophiensælen zu hören. BRIGITTE WERNEBURG

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