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JÜRGEN GOTTSCHLICH ÜBER FRANKREICH UND DEN GENOZID AN DEN ARMENIERNVölkermord im Wahlkampf

Der französische Senat hat entschieden, die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe zu stellen. Und wem nützt das nun? Der Wahrheit? Wer das sagt, ist bestenfalls politisch naiv, tatsächlich aber wohl vor allem ein Heuchler. Drei Monate vor den französischen Präsidentschaftswahlen nützt das Gesetz vor allem Herrn Sarkozy, der hofft, damit die rund 500.000 Stimmen armenischsstämmiger Franzosen für seine Wiederwahl zu gewinnen.

Auch wenn sich der armenische Außenminister geradezu euphorisch äußerte: Was Armenien braucht, sind keine schönen Worte aus Paris, sondern eine Verständigung mit der Türkei. Und die dürfte mit dem neuen Gesetz in Frankreich erst einmal in weite Ferne gerückt sein. Die türkische Regierung und allen voran Ministerpräsident Tayyip Erdogan fühlt sich von Frankreich und Sarkozy in die Ecke gedrängt und schlägt nun wild um sich. Trotz und verletzter Stolz aber sind eine schlechte Basis für Kompromisse und Versöhnung.

Am schlimmsten aber ist das französische Gesetz für diejenigen Türken, die seit Jahren in der Türkei gegen das Verbot angehen, mit dem das Reden über den Völkermord im Land der Täter belegt ist. Sie hatten bislang das Argument auf ihrer Seite, dass das Denk- und Diskussionsverbot über das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich demokratischen Verhältnissen zutiefst widerspricht. Frankreich zeigt nun, dass das nicht so ist.

Das Mutterland der Menschenrechte leistet der Aufklärung damit den denkbar schlechtesten Dienst. Wenn das Gesetz tatsächlich dazu beiträgt, dass Sarkozy wiedergewählt wird, können sich seine Befürworter auch noch die fortschreitende Entfremdung zwischen der Türkei und Europa gutschreiben.

Ausland SEITE 11

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