: Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel
EURO Angela Merkel setzt sich beim Treffen der EU-Staatschefs zwar mit ihrem neuen Sparpakt durch, entscheidende Themen wurden aber vertagt. Zu Griechenlands ungelöster Schuldenkrise könnte es bald einen Sondergipfel geben. Cameron giftet gegen Frankreich
■ Griechenland: Die Banken sollen auf 50 Prozent ihrer Kredite an den griechischen Staat verzichten – das sind nominal etwa 100 Milliarden Euro. Die andere Hälfte wird in neue, 30-jährige Anleihen umgeschuldet, deren Zinssatz allerdings noch umstritten ist. Die Eurostaaten wollen nur 3,5 Prozent bieten, bisher verlangen die Banken mehr. Trotzdem sollen die Verhandlungen bis „Ende der Woche“ abgeschlossen sein.
■ Portugal: Nicht nur Griechenland ist überschuldet, auch bei Portugal ist abzusehen, dass es seine Kredite nicht vollständig wird bedienen können. Also verlangen die Investoren horrende Renditen bei portugiesischen Staatsanleihen. Portugal dürfte daher nicht in der Lage sein, sich ab 2013 wieder auf dem Kapitalmarkt zu finanzieren. Konsequenz: Die zugesagten Hilfsgelder von EU und IWF reichen nicht. Der Schuldenschnitt für Griechenland könnte daher als Vorbild auch für Portugal dienen. Offiziell ist dies aber noch kein Thema für die Eurostaaten.
■ Rettungsfonds: Der neue Hilfsfonds ESM kann 500 Milliarden Euro auszahlen. Diese Summe reicht aber nicht, um Italien und Spanien abzusichern. Gebraucht wird mindestens 1 Billion Euro. Hinter den Kulissen wird daher längst verhandelt, wie die Hilfen aufgestockt werden können. (uh)
AUS BRÜSSEL ERIC BONSE
Europa schwenkt auf einen strikten Sparkurs ein. Nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel am Montagabend weitgehend durchgesetzt hatte, wollen 25 der 27 EU-Staaten den neuen Fiskalpakt für mehr Budgetdisziplin unterzeichnen und Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild einführen. Nur Großbritannien und Tschechien bleiben außen vor.
Trotz der Einigung sei die Schuldenkrise noch nicht vorbei, hieß es am gestrigen Dienstag in Brüssel. Vor allem Griechenland bereitet den Eurorettern Sorgen. Nach dem Gipfel waren Merkel, der griechische Regierungschef Lukas Papademos und einige andere EU-Chefs am Montagabend zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Details wurden nicht bekannt.
Allerdings machten die Chefs Papademos klar, dass sie bis Ende dieser Woche eine Einigung zum geplanten Schuldenschnitt planen. Außerdem will Merkel den Bericht der sogenannten Troika abwarten, sie untersucht die Sanierungsbemühungen in Athen. Erst danach könne ein „Gesamtpaket“ geschnürt werden, so Merkel. Möglicherweise wird es dafür einen neuen Sondergipfel geben.
Merkel sonnte sich im Erfolg „ihres“ Fiskalpakts. Die Einigung sei eine „wirkliche Meisterleistung“, erklärte sie. Künftig darf das Budgetdefizit nicht mehr 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung überschreiten – früher waren es 3 Prozent. Wer das Defizit überzieht, kann von der EU-Kommission mit Geldstrafen belegt werden und muss eine „Reformpartnerschaft“ eingehen, also ein überwachtes Sparprogramm. Zu Streit führte die Klausel, dass Länder, die den Pakt nicht einhalten, vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden können. Merkel wollte, dass die EU-Kommission ein Klagerecht erhält, konnte sich wegen rechtlicher Bedenken aber nicht durchsetzen. Nun sollen einzelne Länder gegen „Defizitsünder“ klagen können.
Damit dies nicht zu Chaos und gegenseitiger Verunglimpfung führt, will man sich bis zum nächsten EU-Gipfel im März auf ein „geordnetes“ Verfahren einigen. Dann wollen die EU-Chefs auch über eine mögliche Aufstockung des neuen Eurorettungsfonds ESM sprechen.
Weniger als erwartet kam auch beim neuen Plan für Wachstum und Beschäftigung heraus. Frisches Geld wird es dafür nicht geben; vielmehr sollen die EU-Länder die vorhandenen Mittel der EU-Strukturfonds anzapfen. Von den insgesamt 82 Milliarden Euro ist das meiste Geld aber schon fest verplant. Ähnliche Programme hat die EU in den letzten Jahren ohne erkennbaren Erfolg aufgelegt.
Keine Beschlüsse wurden zu den Reizthemen Eurobonds, bei denen EU-Staaten gemeinsam Schulden aufnehmen, und der Finanztransaktionssteuer gefasst. EU-Kommission und EU-Parlament hatten zwar versucht, die Eurobonds in den Fiskalpakt aufzunehmen, waren aber an Merkel gescheitert. Großbritannien lehnt die Finanztransaktionssteuer ab. Frankreich will sie im Alleingang einführen.
Der britische Premier David Cameron freut sich darauf: „Dann können wir viele französische Banken in Großbritannien willkommen heißen“, sagte er in Brüssel – in der Hoffnung, die Steuer vertreibt die Banken nach London.
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