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Das Schwarze-Peter-Spiel

THEATER MIT DISKUSSION Das Deutsche Theater lud das Theater unterm Dach aus Pankow zu einem Gastspiel und einem Gespräch über Kulturabbau ein. Grund: Der Bezirk Pankow plant, die Immobilie des Theaters zu verkaufen, und will Kulturausgaben einsparen

Der Kulturpolitik fehlt es an einer ü berzeugenden Performance

„Wurstauslagen im Fleischerei-Geschäft, das ist höchster Kunstgenuss.“ Diederich Heßling sagt das, der Protagonist aus Heinrichs Mann Roman „Der Untertan“. Kunstausstellungen, Landschaftsbilder, die hingegen schätzt er weniger, eigentlich gar nicht. Im Theater unterm Dach (TuD) hat die Regisseurin Anja Gronau diesen engstirnigen Geist inszeniert, Manns bissige Studie eines autoritätsverliebten Charakters. Ob das TuD gerade wegen diesem Satz die Inszenierung für das Gastspiel im Deutschen Theater ausgesucht hat, weil er einen Vorschein auf Pankows Zukunft wirft?

Weil dort Schaufensterauslagen bald die einzige Form des Kulturgenusses bieten könnten, wenn der Bezirk Pankow an seiner Streichliste für die Kulturausgaben festhält und das kleine TuD zum Beispiel schließt? Weil der „Untertan“ so gut zum Weitblick der Bezirkspolitiker passt?

Nein, die Wahl fiel auf diese Inszenierung vermutlich aus anderen Gründen. Alexander Schröder spielt in einem fulminanten Solo die Geschichte vom aufstiegswilligen Untertan, seine Ekstasen der Unterwürfigkeit, sein wörtliches Stiefellecken, seine Ordnungswut. Man meint in seinem Gleiten durch die unterschiedlichen Rollen die Gesichter der Karikaturen von George Grosz wiederzuerkennen, stiernackige, dumpfbackige, dünkelhafte und machtbesessene Deutsche, die sich für eine Elite hielten.

Sparsame Mittel

Die Inszenierung von Anja Gronau ist sparsam in der Besetzung und den Mitteln, spielerisch in der Vermittlung von Literatur, unterhaltsam und intelligent. Damit repräsentiert sie recht gut, wofür das TuD steht: Junge Regisseure fördern, professionelle Arbeit anbieten, Uraufführungen neuer Texte und Klassikerbearbeitungen. Nur, der Ruf als ein Ort, an dem das Theaterhandwerk und die inhaltliche Qualität trotz bescheidener Mittel hochgehalten werden, nützt der kleinen Spielstätte, die im Kulturhaus im Ernst-Thälmann-Park tatsächlich unterm Dach spielt, gerade gar nichts. Mit dem Plan, die Immobilie zu verkaufen und Kulturausgaben einzusparen, ist der Bezirk Pankow seit Mitte Januar in die Kritik geraten. Als eine symbolische Geste der Solidarität lud das Deutsche Theater deshalb die Kollegen zum Gastspiel und einer Podiumsdiskussion zum „Kulturabbau in Pankow“ ein. „Damit das Kleine nicht klein bleibt“, sagte Leonie Baumann, Sprecherin vom Rat für die Künste, die das Podium moderierte.

Seit Bekanntwerden der Sparliste schieben sich der Bezirk Pankow und der Senat von Berlin gegenseitig den Schwarzen Peter für die Sparvorgaben zu – die taz berichtete. Schließlich habe der Senat dem Bezirk das Einsparen auferlegt, verteidigt sich Torsten Kühne (CDU), Bezirksstadtrat für Kultur, aber auch für Verbraucherschutz. Aber man sollte das doch nicht aus kleinen Kulturetat schneiden, kontert der Senat, in Person von André Schmitz, Staatssekretär für Kultur. Aus dem Verbraucherschutz, etwa der Lebensmittelkontrolle, dürfe er das Geld beziehungsweise Stellen aber gar nicht rausnehmen, hat Torsten Kühne jetzt wiederholt gesagt und sagte es auch wieder an dem Abend im Deutschen Theater. Er saß da sehr bleich neben Künstleraktivisten und Ulrich Khuon, dem Gastgeber. Ein Vertreter des Senats war nicht gekommen.

Seltsame Rechnungen

Nicht auf dem Podium saß Liesel Dechant, die Leiterin des TuD, die sich als Angestellte der bezirklichen Kultureinrichtung nicht öffentlich dazu äußern darf – eine unter diesen Umständen sehr befremdliche Regel. Umso wichtiger ist es deshalb, dass sich das Aktionsbündnis Berliner Künstler zum Sprecher der Gegenwehr gemacht hat. Jens Becker gab auf dem Podium einige Rechenbeispiele zum Besten, die die betriebswirtschaftliche Logik der Bezirke in Frage stellten. Mit einem sogenannten Leistungskatalog müssen sie jede Einrichtung bewerten. Da kann sich eine Galerie, die zehn Stunden geöffnet hat, zehn Stunden erbrachte Leistung eintragen, während ein Theater da nur mit der einen Stunde der Aufführung zu Buche schlägt, drei Wochen Probenzeit, Einrichtung Bühnenbild, die Öffnung der Bar hinterher usw. als Leistung nicht sichtbar werden. Solche absurden Bewertungssysteme führten schließlich zu inhaltlichen Fehlentscheidungen.

Das TuD fördert den Nachwuchs und macht Uraufführungen neuer Dramen

Kein anderer Berliner Bezirk hat ein eigenes kommunales Theater. Wenn Thorsten Kühne das betont, klingt es gleich, als wäre das eine besondere Last. Aber das sei doch ein besonderer Schatz, darauf müsse man doch stolz sein, entgegnen ihm die Künstleraktivisten natürlich. Der Kulturpolitik in der Defensive mangelt es einfach auch an einer schwungvollen Rhetorik, an einer anderen als der haushälterischen Sprache. Wo doch heute alles Performance ist, wie Ulrich Khuon sagte, und jeder Arbeitsplatz vor allem durch die Selbstdarstellung seines Inhabers definiert werde, fehle es der Kulturpolitik des Bezirk auch an einer überzeugenden Performance. So spricht der Theatermann zur Politik und der Politiker schrumpft noch ein wenig mehr.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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