: Gegen die Parteilinie
FRAUEN Sie wollen eine Quote, gegen die Überzeugung ihrer bürgerlichen Parteien: Drei Abgeordnete von CDU, CSU und FDP erklären, warum sie ihre Haltung geändert und die „Berliner Erklärung“ für eine 30-Prozent-Quote von Frauen in Spitzengremien unterschrieben haben
■ EU-Justizkommissarin Viviane Reding will am Montag ihren Plan für eine europaweite Frauenquote bekanntgeben. 2011 hatte sie europäische Topunternehmen aufgefordert, bis 2012 ihren Frauenanteil in der Spitze zu erhöhen. Das ist kaum gelungen. Für diesen Fall hatte Reding eine gesetzliche Regelung angekündigt.
■ In Deutschland plädiert Arbeitsministerin Ursula von der Leyen für eine 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände.
■ Beim WoB-Index belegt das GfK-Institut mit 40 Prozent Frauen an der Spitze den 1. Platz – das soziale Netzwerk Xing landet mit keiner Frau auf dem letzten.
■ Norwegen führte als erstes europäisches Land 2005 eine 40-Prozent-Quote für Verwaltungsräte in Aktiengesellschaften ein. Mit Erfolg: 2008 war die Quote erfüllt.
■ Quoten gibt es auch in Frankreich, Spanien, Island. (sis)
Hartleibige Männer lassen sich umstimmen
BERLIN taz | Thomas P. hat sich beschwert. Dorothee Bär habe ihn „entfreundet“, schreibt P. auf seiner Facebook-Seite. So nennt man das, wenn sich in dem sozialen Netzwerk jemand eines „Freundes“ entledigt. Den Grund nennt P. auch: seine Kritik an Bärs Quotenengagement.
Dorothee Bär, 33, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag und Vizegeneralsekretärin der CSU, sieht keine Alternative zu einer gesetzlichen Frauenquote. „Freiwillige Selbstverpflichtungen bringen nichts.“ Deshalb hat Dorothee Bär im Dezember die „Berliner Erklärung“ mitinitiiert, eine überparteiliche Petition für eine 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände, getragen von Fraueninitiativen und Parlamentarierinnen. Darunter sind neben Bär auch Rita Pawelski und Nadine Schön (beide CDU) sowie Sibylle Laurischk (FDP). Deren Fraktionen lehnen eine solche Regelung bisher ab. Online werden Stimmen gesammelt, die im März Kanzlerin Angela Merkel übergeben werden sollen. Damit soll zudem Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) unter Druck gesetzt werden, die für eine Flexi-Quote plädiert.
Es ist noch nicht so lange her, da sprach Bär, die im oberfränkischen Bamberg geboren wurde und mit 16 in die CSU eintrat, anders. „Ich bin grundsätzlich gegen solche Quoten. Frauen in verantwortlicher Position werden sowieso schon als Quotenfrauen betrachtet, auch wenn es gar keine Quoten gibt“, sagte sie vor zwei Jahren in einem taz-Interview. Jetzt hält sie Gendervorträge, tritt bei EU-Veranstaltungen zur Quote auf, wirbt bei jungen CSU-Frauen, die die Quote ablehnen. Dann steht sie am Rednerpult und wirkt, als hätte sie nie etwas anderes gedacht.
Dabei habe sie noch vor ein paar Jahren wirklich geglaubt, Frauen könnten es allein durch ihre Leistung nach oben schaffen. Sie hatte all die Erklärungen der Männer verinnerlicht, dass Frauen abgewertet würden, wenn sie auf dem Quotenticket reisten. Alles „Scheinargumente“, habe sie irgendwann festgestellt. Zudem werde in Bayern überall quotiert: in Vereinen, nach Regionen, nach Interessen. Das heißt nur anders, zum Beispiel „Flächendeckungsprinzip“. Wenn es gar nicht mehr anders geht, wirke die „Hinterkopfquote“, wie Dorothee Bär es ausdrückt: „Na gut, ein, zwei Frauen müssen wir wohl noch dazutun.“
Seit sie mit der Quotenidee durch Bayern tourt, hat Dorothee Bär viele Menschen getroffen. „Ich bin optimistisch“, sagt sie: „In den mittelständischen Unternehmen geht gar nichts ohne Frauen.“ Und hartleibigere Männer ließen sich umstimmen, „wenn sie Töchter haben“.
Und Männer wie Thomas P.? Dorothee Bär sagt: „Facebook ist für mich ohnehin nur so etwas wie ein Poesiealbum.“
SIMONE SCHMOLLACK
Die gläserne Decke spät erkannt
BERLIN taz | Sie hat es lange nicht wahrgenommen, das Problem. Für Sibylle Laurischk lief ja alles gut. Sie studierte in Heidelberg Jura, absolvierte 1980 das zweite Staatsexamen, und schon hatte sie einen Superjob bei KPMG. Über ihre vier Jahre bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sagt sie heute: „Da war ich unter lauter Männern, aber akzeptiert. Da hab ich immer meinen Weg gemacht.“
Eine Frauenquote war in den Achtzigern eine Spezialveranstaltung der neu gegründeten Grünen und der taz-Redaktion; sonst war Chancengleichheit für Frauen in der alten Bundesrepublik eher kein Thema. Hätte man Laurischk da nach ihrer Meinung gefragt, hätte sie die Quote für „kontraproduktiv“ erklärt. Frauen brauchen keine besondere Unterstützung. Im Wettbewerb zeigt sich, was man kann.“
Heute sieht sie das anders. Sibylle Laurischk ist Erstunterzeichnerin der Berliner Erklärung – und dass es mal so weit mit ihr kommen würde, dass sie die Frauenquote befürwortet, hätte sie selbst am wenigsten gedacht. Verändert haben sie zwei Dinge: ihre Kinder und ihre Erfahrung als Politikerin. Sie sei „durchs Kinderkriegen politisch geworden“, sagt sie, „Mutter zu sein hat mich politisch wach gemacht.“ Vor zehn Jahren zog sie für die FDP in den Bundestag ein, seit zwei Jahren ist sie nun Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Und da, in der „harten Politik“, hat sie erkannt: „Es braucht eine Verpflichtung.“
Laurischk sitzt in ihrem Bundestagsbüro. Sie ist nicht direkt sauer, wenn sie davon erzählt, was aus ihrer Fraktion an Reaktionen auf die interfraktionelle Quoteninitiative kam. Nämlich: nichts. Womöglich rührt ihre Gelassenheit daher, dass sie an sich selbst erlebt hat, wie lange es dauern kann, bis Politiker erkennen, dass sie kommen muss, diese Quote.
In der FDP wird gern gespottet über das Thema. Beim Parteitag der baden-württembergischen Liberalen im Januar gab es drei Kategorien von „Spinnern“, auf die die Redner gern einschlugen: Stuttgart-21-Gegner, ostdeutsche Kostgänger und Quotenbefürworter. Gerade mal 23 Prozent der Parteimitglieder sind Frauen, in den Gremien sind sie kaum sichtbar. Auch Sibylle Laurischk findet, da sei „so gar keine Botschaft: Ja, Frauen sind gewollt und wichtig in unserer Partei.“
Laurischk ist seit 22 Jahren Mitglied. Sie arbeitet als Anwältin in Offenburg, sitzt für die FDP im Stadtrat. Ihre drei Kinder hat sie allein großgezogen. Zwischen 23 und 27 Jahre alt sind sind sie jetzt. Seltsam, mit ihnen hat sie nie über die Quote gesprochen. „Dieses Thema“, sagt sie, „erreicht Frauen in aller Deutlichkeit erst, wenn sie Kinder haben und sie die gläserne Decke spüren. Die sehen: Ich könnte es besser als der Kollege, aber es ist kein Durchkommen.“ ANJA MAIER
Die Kinder werden schon mit eingepreist
BERLIN taz | „Hallo Leute! Bitte votet heute für die absolut beste ‚voice of germany‘ Lena Sicks. Daaankeee!!!“ So twittert die Abgeordnete Nadine Schön, mit 28 Jahren die jüngste Abgeordnete der Union im Bundestag. Eine Juristin von der Saar, mit blondem Kurzhaarschnitt und Kastenbrille, die über Twitter auch munter verkündet, dass das Saarland am schönsten und die dortige Junge Union die Beste ist.
„Ich war wie ziemlich viele in meinem Alter gegen die Quote“, sagt sie. In der Schule seien die Mädchen gut durchgekommen, die SchülersprecherInnen waren meistens weiblich, erinnert sie sich. Es gab ein paar Angebote „nur für Mädchen“, aber die interessierten sie nicht. Quoten? „Ich fand es abstrus, dass eine Person einen Posten nur bekommen soll, weil sie eine Frau ist. Das war mir fremd, eine Debatte von vorgestern.“
In der Jungen Union, mit 16, da merkte sie dann schon, dass Frauen gesucht wurden, damit das Podium nicht schon wieder rein männlich ist. Sie profitierte: „Ich bekam viel Unterstützung, gerade weil die Quote bei uns nicht so berauschend war.“ Aber vor allem nach dem Studium, als es um den ersten Job ging, da tauchten die ersten Unterschiede auf: „Die Männer wurden unbefristet eingestellt. Die Frauen bekamen nur Zweijahresverträge. Ihr Gehalt war auch niedriger.“ Sie habe den Eindruck gewonnen, dass „bei den Frauen die Kinder schon mit eingepreist waren“, als würden alle Frauen Mütter und als seien sie dann alle nicht mehr verfügbar.
Da nahm sie auch die Zahlen zur Kenntnis. Im Bundestag sitzt sie seit 2009 im Frauen- und Familienausschuss, in einer Zeit, in der die Debatte über Frauen auf Chefposten tobte. Jeden Monat neue Zahlen, die einen unterirdisch niedrigen Frauenanteil in der Wirtschaft belegten. Und da sie selbst gerade ihre Kolleginnen erlebte, wusste sie auch, dass das keine Frauen sind, die angeblich „einfach nicht aufsteigen wollen“ oder „es nicht können“ – nicht ihre Generation. „Ich erlebe es so, dass Frauen sich nicht gleich vordrängen, wenn es um einen Posten geht. Aber wenn sie ihn annehmen, dann sind sie die Leistungsträger – im Kontrast zu so manchem Mann.“
Dagegen kann man aus ihrer Sicht zweierlei machen: das Kinderrisiko auf beide Elternteile verteilen – und eine Frauenquote einführen. Nadine Schön, die auch Vizechefin der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion ist, ist nicht zufrieden mit der Miniquote, die ihre Frauenministerin Kristina Schröder anstrebt. Schröder verweist dabei gern auf junge Frauen, die sich auf ihre Leistung verlassen und der Ansicht sind, dass sie keine Quotenkrücke brauchen. Die junge Nadine Schön allerdings denkt das nicht mehr: Sie hat die „Berliner Erklärung“ für eine feste 30-Prozent-Quote unterschrieben.
HEIDE OESTREICH
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