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das wichtigsteKontinuität in Kiew

Diplomat kritisiert die Visa-Politik der Kohl-Regierung – und sorgt damit im Visa-Ausschuss fast für einen Eklat

BERLIN dpa ■ Schon vor dem Regierungswechsel 1998 seien an der deutschen Botschaft in Kiew Visa erschlichen worden, gab der ehemalige Leiter der Visastelle, Nikolai von Schoepff, am Donnerstag vor dem Visaausschuss in Berlin zu Protokoll – und provozierte mit dieser Aussage fast einen Eklat. Nach heftigem Streit wurde die Sitzung auf Antrag der Union unterbrochen, um Einblick in die zitierten Dokumente nehmen zu können.

„Unzweifelhaft kam es zu Visaerschleichungen“, sagte von Schoepff, der von 1993 bis 1996 in Kiew gearbeitet hatte. Außerdem habe es bereits in der Amtszeit von Außenminister Klaus Kinkel „grundlegende Erlasse“ zur Erleichterung der Visavergabe und massive Eingriffe in die Ermessensspielräume der Konsularbeamten gegeben. So sei etwa die Botschaft angewiesen worden, Visa von Messebesuchern nicht mehr so intensiv zu prüfen. Grund für die Missstände seien aber auch die unerträglichen Arbeitsbedingungen und Mangel an Personal gewesen; Kinkel habe Kiew in seiner Amtszeit jedoch nicht einmal besucht.

CDU-Obmann Eckart von Klaeden warf von Schoepff daraufhin vor, Erlasse heranzuziehen, die dem Ausschuss nicht vorlägen. Er zitiere ferner „unvollständig und sinnentstellend“ aus den Dokumenten. Dies grenze an den „Versuch der Manipulation“.

SPD-Obmann Olaf Scholz dagegen meinte, es werde nun klar, dass die Probleme der Visa-Erteilungspraxis viel älter seien als der Regierungswechsel 1998. Grünen-Obmann Jerzy Montag verwies darauf, dass es schon im Jahr 1994 die Anweisung gegeben habe, bei der Visavergabe „im Zweifel für die Antragsteller“ zu entscheiden. Es gebe hier eine klare Kontinuität der Visapolitik.

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