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Der Beslan-Prozess soll heute beginnen

Acht Monate nach dem Überfall auf die Schule Nummer eins in der nordossetischen Kleinstadt kommt ein Mitglied des Terrorkommandos vor Gericht. Ein Anwalt wird allerdings noch gesucht. Die Angehörigen der Opfer trauen den Behörden nicht

AUS MOSKAUKLAUS-HELGE DONATH

Er war der Einzige, der den russischen Sicherheitskräften lebend in die Hände fiel. Der 24-jährige Tschetschene Nurpaschi Kulajew gehörte zu dem Terrorkommando, das vergangenes Jahr am 1. September die Schule Nummer eins in der nordossetischen Kleinstadt Beslan überfiel. Fast drei Tage lang hielten etwa 30 Terroristen 1.120 Geiseln in ihrer Gewalt. 330 Menschen starben, darunter 186 Kinder, als am dritten Tag russische Sondereinheiten die Schule stürmten.

Heute soll vor dem Obersten Gericht in der nordossetischen Hauptstadt Wladikawkas der Prozess gegen Kulajew beginnen. Er dürfte sich über mehrere Monate hinziehen: über 1.300 Zeugen sollen vernommen werden.

Der Verhandlungsbeginn ist allerdings gefährdet, weil sich bisher kein Anwalt gefunden hat, der die Verteidigung übernehmen will. Er könne niemanden dazu zwingen, meinte der Vorsitzende des nordossetischen Anwaltskollegiums, Mark Gaglojew. Wer Kulajew Rechtsbeistand leiste, verzichte freiwillig auf eine Karriere in Nordossetien. Nun wird nach einem Anwalt in den Nachbarrepubliken gesucht.

Die Stimmung in Nordossetien hat sich auch acht Monate nach der Geiselnahme keineswegs beruhigt. Angehörige der Opfer haben sich zusammengeschlossen und verlangen ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie trauen weder der Republiksführung noch den beiden Kommissionen, die der russische Föderationsrat und die Republik einsetzten. Ein Bericht wurde für März angekündigt, am Vorabend der Veröffentlichung aber vom Vorsitzenden des Föderationsrates vertagt.

In Beslan halten die Betroffenen dies für einen Versuch, unliebsame Fakten zu verbergen. Eltern der getöteten Kinder hatten schon im Januar ihrem Unmut Luft gemacht und eine Hauptverkehrsachse blockiert. Daraufhin gab der Vorsitzende des föderalen Ausschusses, Alexander Torschin, bekannt, die Polizei hätte bereits zwei Offiziere festgenommen, nach drei Mitarbeitern der Sicherheitsorgane werde noch gefahndet.

Offenbar konnte keiner der beiden Ausschüsse klären, wie viele Terroristen an dem Überfall beteiligt waren. Im April meldete der Inlandsgeheimdienst FSB, er habe den Chef der radikalen Islamistengemeinde in Inguschetien, Isnaur Kodsojew, ausgeschaltet. Doch dieser stand bereits auf der Liste der 31 beim Sturm getöteten Terroristen.

Die Angehörigen wollen vor allem wissen, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Im April übergaben Einwohner den Ermittlern einen Flammenwerfer, den sie auf dem Dach eines Wohnblocks neben der Schule sichergestellt hatten, sowie Panzergeschosshülsen. Die Beweisstücke belegen nach Ansicht der Betroffenen, dass beim Sturm der Schule das Leben der Geiseln nicht geschont wurde. Bislang hatte man die Terroristen dafür verantwortlich gemacht. Nach einem Bericht der Nowaja Gaseta räumte die Staatsanwaltschaft ein, dass neben Panzern auch ein Flammenwerfer vom Typ RPO „Schmel“ eingesetzt wurde. Der Flammenwerfer zählt zu den chemischen Waffen. Die Vertreter der Opfer vermuten, der Dachstuhl der Schule sei erst nach dem Einsatz des Flammenwerfers eingestürzt; daraufhin seien die Geiseln bei lebendigem Leibe verbrannt. Bewohner bezeugten, sie hätten Mitarbeiter des FSB beim Aufstellen des Flammenwerfers beobachtet. Verdächtig ist: Die Registriernummer wurde unkenntlich gemacht. Daher lässt sich nicht mehr feststellen, wer den Befehl zum Einsatz der Waffe gab.

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