: „Er sah sich als Robin Hood des Verkehrs“
PROZESS Autobrandstifter André H. fühlte sich stark, wenn er der Polizei ein Schnippchen schlug
Wie tickt der Mann, der vergangenen Sommer mehr als 100 Autos anzündete? Fest steht, sagt der forensische Psychiater Hans-Ludwig Kröber, der am Donnerstag vor dem Landgericht als Gutachter auftrat: Der geständige Angeklagte André H. ist durchschnittlich intelligent, er hat keine relevante psychiatrische Erkrankung und keine Bewusstseinsstörung. Er trinkt grundsätzlich keinen Alkohol, raucht nicht, nimmt keine Drogen – und war bei den Taten also auch nicht berauscht. Juristisch, sagt Kröber, ist André H. voll schuldfähig.
Der Gutachter kann keine spezifische Ideologie erkennen, die den 27-Jährigen dazu getrieben hat, über Monate hinweg und über die ganze Stadt verteilt Autos anzuzünden. Das Motiv Sozialneid, von dem im Prozess schon die Rede war, relativiert er. H. habe teure Autos angezündet, um sich moralisch zu rechtfertigen – eine Art „Robin Hood des ruhenden Verkehrs“.
Räuber und Gendarm
Kröbers Ansicht nach gab es keinen spezifischen Auslöser für die Taten. Er spricht von einer insgesamt „etwas unbefriedigenden Lebenssituation“. H. hatte seit dem Ende seiner Ausbildung zum Maler und Lackierer nie eine richtige Anstellung, von Frauen bekam er nur Abfuhren. Eine besondere Faszination für Feuer sieht Kröber bei André H nicht. Schon eher für das Motto: kleine Handlung, großer Effekt. Er habe Spannung, Abenteuer und den Kick gewollt. Es sei ihm um die Aufmerksamkeit der Medien gegangen, speziell darum, „im Konzert der Brandstifter die erste Geige zu spielen“ Und, so sieht es Kröber, es ging H. um den Kampf mit der Polizei: Räuber und Gendarm, der Cleverere gewinnt. H. interessierte sich schon lange für Polizei und Kriminalfälle, er hatte Sirenentöne auf seinem Handy und fachsimpelte darüber mit seinem besten Freund.
Schon als Kind, erzählt auch H.s Mutter, die als Zeugin geladen ist, „hat er immer mit Polizeiautos gespielt, nicht mit Feuerwehrautos“. Von seinen heutigen Problemen, seinem Liebeskummer und seinen Schulden, will die Mutter, die mit H. und seiner älteren Schwester in einer 2,5-Zimmer-Wohnung lebte, nichts mitbekommen haben. Die Berichterstattung über die Autobrände hätten sie sich gemeinsam vor dem Fernseher angesehen, erzählt sie. Ob ihr Sohn sich dabei irgendwie auffällig verhalten habe, will die Vorsitzende Richterin wissen. „Nein“, sagt die Mutter, „wir haben völlig normal darüber gesprochen.“ Das Urteil soll am 3. April fallen.
SEBASTIAN ERB
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