piwik no script img

Studie zu neuer Eisenbahn-ElbquerungIm Westen nichts Neues

Eine Bahnlinie unter der Elbe im Westen Hamburgs würde zwar Fahrgäste anziehen, allerdings längst nicht so viele, dass sich der Aufwand lohnen würde.

Deutschland meistfrequentierter Bahnhof: überfüllter Bahnsteig in Hamburg Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Eine weitere Bahnstrecke über die Elbe im Westen Hamburgs zu bauen, wäre zwar machbar – es würde sich aber nicht lohnen. Sprich: Aufwand und Nutzen stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander, wie ein Konsortium von Fachleuten unter Federführung der TU Hamburg ermittelt und am Donnerstagabend in der Hamburgischen Bürgerschaft dargestellt hat. Fazit der Gutachter: „Eine Realisierung der Westquerung kann derzeit nicht empfohlen werden.“

Eine Bahnlinie von Harburg oder Stade aus direkt nach Altona steht seit vielen Jahren auf der Wunschliste von Eisenbahnfreunden und Bewohnern des Süderelberaums. Unter anderem haben sie Umweltschützer vor 30 Jahren als Alternative zu der schließlich realisierten vierten Elbtunnel-Autobahnröhre ins Gespräch gebracht. Auch die Bürgerinitiative Prellbock Altona, die sich gegen eine Verlegung des Altonaer Bahnhofs und einen neuen Bahntunnel quer durch Hamburg wehrt, propagiert eine Westquerung.

Die Studie wurde im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt. Sie fußt auf dem geltenden Bundesverkehrswegeplan, der auf den für 2030 prognostizierten Bedarf abstellt. Dieser enthält Projekte wie die Autobahn A26-Ost quer durch den Hamburger Süden aber auch den angestrebten Deutschland-Takt im Bahnverkehr, der in den Augen der Bahn den genannten Bahntunnel quer durch die Innenstadt nötig macht.

Dass die umstrittene neue Autobahn, deren Bau gerade vorbereitet wird, von den Gutachtern vorausgesetzt wurde, war Gegenstand von Nachfragen. Wie ein Szenario ohne die A26-Ost aussähe, wollte die Grünen-Abgeordnete Miriam Block wissen.

Vorschlag: Autobahn weglassen

Die Autobahn wegzulassen, würde sicherlich mehr Fahrgäste für die Bahnlinie bringen, sagte der Gutachter Lukas Regli von der Beratungsgesellschaft SMA, aber lange nicht so viele, um an dem schlechten Nutzen-Kosten-Verhältnis von 0,3 bis 0,4 etwas zu ändern. „Es müssten Faktoren an Nachfrage draufkommen“, sagte Regli. Gefordert ist ein Verhältnis von mindestens eins.

„Wir müssen von den Rahmenbedingungen ausgehen, die der Bund setzt“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Schließlich seien die Projekte nicht machbar, ohne dass der Bund den größten Teil davon bezahle. Zwar hat das Bundesverkehrsministerium Ende Oktober eine neue Verkehrsprognose für 2040 vorgestellt, die neue Mobilitätsdaten einbezieht und den Klimawandel berücksichtigt. Das konnte aber naturgemäß nicht in die Studie einfließen.

Die Gutachter haben im Laufe ihrer Arbeit die vielen in Frage kommenden Querungsmöglichkeiten auf zwei Erfolg versprechende „Kombinationsvarianten“ eingedampft. „K1“ würde vom Bahnhof Harburg aus entlang der A7 zum neuen Bahnhof Altona-Nord am Diebsteich führen. Sie könnte die Heidebahn aus Richtung Soltau nach Schleswig-Holstein führen und auch den Fernverkehr aus Richtung Hannover.

„K2“ würde von Buxtehude über Finkenwerder nach Altona-Nord führen und S-Bahnen sowie Regionalzüge aufnehmen. Für beide Kombinationsvarianten müssten mehr als zehn Kilometer lange Tunnel und in Altona komplizierte Einfädelungsbauwerke errichtet werden. Dabei müssten die Ingenieure wegen des Geesthangs mit vier Prozent Steigung an die Grenze des machbaren gehen. Für Güterzüge wären die Strecken damit ungeeignet.

Nicht genügend Fahrgäste

Die Grünen-Abgeordnete Gudrun Schittek aus Harburg erinnerte daran, wie umständlich es sei, von Stade aus nach Altona zu kommen. Südlich der Elbe seien einige neue Siedlungen geplant und es gebe dort auch viel Industrie, etwa das Airbus-Werk in Finkenwerder. „Dafür brauchen wir einen besseren Plan“, fand Schittek.

„Das Potenzial von Finkenwerder haben wir sofort erkannt“, antwortete der Gutachter Matthias Grote von der TU Hamburg. Die 25.000 Fahrgäste, die hier mobilisiert werden könnten, reichten aber auch nicht aus um das Kosten-Nutzen-Verhältnis wesentlich zu verbessern. Zu einem anderen Ergebnis würde man nur gelangen, wenn neben den heute geplanten Bauprojekten neue Siedlungen mit der entsprechenden Verkehrsnachfrage hinzukämen, sagte Carsten Gerz von der TU.

Die Gutachter haben für ihre Arbeit ein ganz Europa einbeziehendes Verkehrsmodell verwendet und dann im Computer ihre Varianten durchgerechnet. Einbezogen wurden dabei auch die Stellungnahmen der Landesnahverkehrsgesellschaften sowie der Verkehrsbetriebe.

„Das Modell macht ein gutes Angebot“, sagte der Gutachter Regli. „Aber die Nachfrage ist verschwindend klein.“ Das liege daran, dass die Reisezeiten nicht sehr stark verkürzt würden und der Hauptbahnhof so ein attraktiver Knotenpunkt sei. „Wir unterstützen, dass man dort die Kapazitäten baut, wo die Nachfrage entsteht“, sagte Regli.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!