Neue Rauchmelder für Mieter:innen: Der Spion hängt an der Decke
Ein großer Wohnungskonzern installiert in Mietwohnungen neue Rauchmelder – die es in sich haben. Doch das Überwachungspotenzial ist noch größer.
P rotest wirkt. Na ja, zumindest manchmal, wenn der Aufreger groß genug ist. Wie beim jüngsten Move des Immobilienkonzerns Vonovia. Der hatte sich etwas derart Abstruses ausgedacht, dass ich zuerst dachte: Das kann nicht sein, das ist Fake. Aber nein: Es ist Vonovia.
Das Unternehmen installiert neue Rauchmelder in Wohnungen von Mieter:innen. Rauchmelder, die nicht nur mutmaßlichen Rauch erkennen, sondern auch Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen. Daraus abgeleitet sollen die Mieter:innen Empfehlungen zum Heizen und Lüften in der Wohnung erhalten – zumindest die Mieter:innen, die ein Smartphone haben und die Vonovia-App nutzen.
Für die App-Nutzung müssen die Daten natürlich raus aus dem Rauchmelder und rein in die Cloud. Was nicht ganz unkritisch ist, schließlich lässt sich aus den Daten etwa schließen, ob die Mieter:innen gerade im Urlaub sind, wann normalerweise zu Hause und wann abwesend. Selbst wenn Vonovia die Daten tatsächlich nicht dahingehend auswertet – eine angriffssichere Cloud muss erst noch erfunden werden.
Die Messdaten sollen dann auch noch drei Jahre lang gespeichert werden, und zwar mit Personenbezug. Man kann sich ausmalen, was passiert, wenn eine Mieterin zum Beispiel einen Mangel geltend macht wegen Schimmel. Ob dann nicht doch jemand in Versuchung gerät, sich Zugang zu den Daten in der Cloud zu verschaffen und zu schauen, ob auch immer fleißig gelüftet wurde? Auf seiner Webseite wirbt das Unternehmen übrigens damit, dass die neuen Rauchmelder weder Mikrofon noch Kamera haben. Als ob das sonst Standardzutaten von Rauchmeldern wären.
Konzern lenkt ein
Datenschützerinnen, Verbraucherschützer, Mietaktivist:innen, sie alle protestierten, und am Ende hat Vonovia eingelenkt. Jedenfalls ein bisschen: Die Funkverbindung der neuen Geräte wird nur aktiviert, wenn die Mieter:innen aktiv einwilligen. Das wäre eigentlich auch die rechtliche Vorgabe. Aber dass Unternehmen sich an Datenschutzvorschriften halten, ist ja ohnehin eher die Ausnahme als die Regel.
Doch zu Ende ist die Geschichte noch nicht. Denn Vonovia möchte für die neuen Rauchmelder – Funk aus oder an – Geld. Eine Mieterhöhung, Berichten zufolge im „niedrigen einstelligen monatlichen“ Bereich. Begründung? Steigender Wohnwert, Modernisierung.
Wir dürfen uns also künftig bestimmt auf weitere Modernisierungs-Überwachungsmaßnahmen von Vermieter:innen freuen. Zum Beispiel auf vernetzte Thermostate, deren Daten ebenfalls Hinweise auf Urlaub, tägliche An- und Abwesenheit und Wärmebedarf geben. Auf Türschlösser, die nur per Fingerabdruck aufgehen. Vielleicht sogar auf Kameras, die Treppenhäuser und Eingangsflure überwachen? Alles eingebaut, mit freundlichen, wohnwertsteigernden Grüßen des Vermieters.
Für den Moment muss man sich wahrscheinlich schon freuen, dass Vonovia für das Nichtanschalten der Überwachungsfunktion nicht noch extra kassieren will.
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