Meduza-Auswahl, 7. – 13. November: „Wir sind das Bollwerk!“
Meduza öffnete das Fenster nach Russland diese Woche live in der taz-kantine in Berlin. Moskau exportiere Hass und Zerstörung, sagt Meduza-CEO Timtschenko dort.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 7. bis zum 13. November 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Hoffnungslose Zeit in Russland
„Wir sind das Bollwerk, die Brandmauer, die da steht und unsere Leser*innen warnt. Wir müssen verstehen, was hinter der Mauer passiert, um darüber zu sprechen“, so beschrieb am Montagabend in Berlin die Geschäftsführerin und Herausgeberin von Meduza, Galina Timtschenko, die Rolle des wichtigsten russischen Exilmediums. Timtschenko hat 2014 Meduza im lettischen Exil mitgegründet, weil sie in ihrem Land nicht als unabhängige Journalistin arbeiten konnte. „Russland hat jahrelang Öl und Gas exportiert, auch in westliche Länder, nun exportiert Russland Hass, Zerstörung, gegenseitige Vernichtung und Polarisierung“, fügte sie hinzu.
„Es ist eine absolut hoffnungslose Zeit in Russland, denn man hat das Gefühl, dass sich nichts ändern wird – aber die Menschen machen weiter“, erzählte der Chefredakteur Iwan Kolpakow. Am vergangenen Montag waren beide auf Einladung der taz Panter Stiftung in der taz Kantine zu Gast, um das Fenster nach Russland live in Berlin zu öffnen.
Der Anlass: Das Jubiläum des zehnjährigen Bestehens des russischen Exilmediums, das im Januar 2023 zur „unerwünschten Organisation“ in Russland erklärt wurde und mehrmals neue Wege finden musste, um ihre Journalist*innen in Westeuropa und Russland zu schützen, und die Zensur zu umzugehen, damit die zweisprachigen Inhalte des kremlkritischen Internetportals die Bevölkerung in Russland erreichen. Das Gespräch mit Meduza am vergangenen Montag können Sie hier nachschauen (deutscher Text).
Das Schicksal von hunderttausende Ukrainerinnen
Ein Roman über den Krieg, der eigentlich nicht über den Krieg schreiben will, hat die ukrainische Schriftstellerin Zhenia Berezhna veröffentlicht. „(Nicht) Über den Krieg“ lautet der Titel, Meduza hat es gerade verlegt. Die Rezension können Sie hier lesen (russischer Text).
Die offizielle Buchvorstellung wird Ende November in Berlin stattfinden, denn Berezhna lebt seit kurz nach dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine in Deutschland. Bevor sie ihre Heimatstadt Kyjiw und auch ihren Ehemann verlassen musste, war sie eine erfolgreiche Schriftstellerin, die für einen russischen Verlag Märchen schrieb.
Berezhnas Roman, den sie dank eines Stipendiums von PEN Deutschland schreiben konnte, liest sich teilweise auch wie ein Märchen – das mit der Flucht beginnt und mit einem Wunder und der Hoffnung endet. Die ukrainische Schriftstellerin war am Montag ebenfalls bei in Berlin zu Gast. Warum sie weiterhin auf Russisch schreibt, können Sie ebenfalls unter diesem Link nachhören.
Wehrpflichtigen wird die Ausreise verweigert
Militärische Rekrutierungszentren in Moskau haben Benachrichtigungen an Wehrpflichtige verschickt, dass sie bei Nichterscheinen zur Vorladung mit Ausreisebeschränkungen belegt werden. Die Angaben stammen aus Pro-Kreml-Kanälen. Artem Klyga, ein Anwalt, der Dienstverweigerer vertritt, hat das gegenüber dem unabhängigen Medium Bazhnie Istorii bestätigt. Er habe mehrere Menschen betreut, bei denen solche Bescheide eingegangen seien.
Darüber berichtet Meduza (russischer Text). Die Bescheide beziehen sich auf die Gesetzesänderungen eines Gesetzes namens „Über den Militärdienst“, die 2024 eingeführt wurden. Neben dem Ausreiseverbot sollen Dienstverweigerer weitere Beschränkungen auferlegt werden. Die Menschenrechtsorganisation „Schule für Wehrpflichtige“ bezeichnete die Versendung der Bescheide als „nichts anderes als Einschüchterung“.
Lebenszeichen von Belarussin Maria Kalesnikava
Seit Februar 2023 wurde nichts mehr von der inhaftierten belarussischen politischen Gefangenen Maria Kalesnikava gehört. Am Dienstag postete dann auf einmal der ehemalige Leiter eines prominenten belarussischen oppositionellen Telegram-Kanals, Roman Protasewitsch, ein Foto von Kalesnikava mit ihrem Vater. Seit anderthalb Jahren hatte die Oppositionelle keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater gehabt. Wann, wo und unter welchen Umständen das Foto entstand, wurde nicht mitgeteilt. Das Foto und die kurze Meldung hat Meduza veröffentlicht (englischer Text).
In den letzten Monaten hat der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko einige politische Gefangene freigelassen, die schwer krank sind. Für einige Experten steckt dahinter ein Politmanöver, kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Belarus am 26. Januar des kommenden Jahres. Über die Situation der Opposition in Belarus und die circa 1.300 politischen Gefangenen im Land berichtet die Illustratorin Olga Yakubovskaya am Montagabend in Berlin (deutscher Text). Sie zeichnet Protestkunst gegen Lukaschenko.
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