Die Wahrheit: Kamala Harris jetzt auch Irin!
Wer schmückt sich schon gern mit schurkischen Vorfahren? Falls es Harris jetzt wuppt, kann sie zumindest auf ihren Ur-Ur-Ur-Ur-Opa nicht stolz sein.
A m Dienstag wählen die USA. Vielleicht bekommt das Land wieder ein irischstämmiges Staatsoberhaupt. Bisher hatten 23 Präsidenten irische Vorfahren, aber keiner hat das so zur Schau gestellt wie Joe Biden, bis dessen Anbiederungen selbst den Iren zu viel wurden. Kamala Harris muss in dieser Hinsicht zurückhaltender sein. Wer schmückt sich schon gern mit schurkischen Vorfahren?
Ihr Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater väterlicherseits war Hamilton Brown, ein berüchtigter Sklavenhalter, der 1766 in der nordirischen Grafschaft Antrim geboren wurde und nach Jamaika auswanderte, wo er Viehzüchter wurde und eine Zuckerplantage betrieb. Nach ihm ist der Ort Brown’s Town benannt.
Brown behauptete damals, dass es den jamaikanischen Sklaven besser gehe als den armen Engländern. Deshalb solle sich die britische Regierung nicht in die Art und Weise einmischen, wie die jamaikanischen Siedler ihre Sklaven behandelten. Allerdings hat die Regierung in London im Gegensatz zu Brown ihre Leute nicht auspeitschen lassen, soweit man weiß.
Nach Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1833 kassierte Brown, der 1.120 Sklaven besaß, eine Abfindung in Höhe von 24.144 Pfund, was heutzutage rund 2,89 Millionen Pfund entspricht. Brown bemühte sich danach, Protestanten aus seinem Heimatort Ballymoney anzuwerben, um Land in Jamaika zu besiedeln, das andernfalls von freigelassenen Sklaven besetzt würde. Der Plan scheiterte, weil man in Irland vermutete, dass die Einwanderer von Brown in Sklaven verwandelt würden.
Überall die blau-weiß-rote Schürze
Ballymoney ist heute streng unionistisch, fast 70 Prozent fühlen sich als Briten, überall weht die blau-weiß-rote Schürze. Die 11.000 Einwohner haben die höchste Lebenserwartung in Nordirland, Männer werden in Schnitt 79,9, Frauen 83,8 Jahre alt. Merkwürdigerweise hat der Ort aber auch die höchste Anzahl an Menschen, die an Herzversagen sterben.
Dass Harris US-Präsidentin werden könnte, ist für die Bewohner des Heimatorts ihres Vorfahren nichts Besonderes. Schließlich stammte der 25. Präsident der Vereinigten Staaten, William McKinley, der von 1897 bis 1901 im Amt war, ebenfalls aus Ballymoney. Eine Mitbürgerin, die ihre Abstammung bis zur Schwester von Hamilton Brown zurückverfolgt hat, ist so zwiegespalten, wie es auch Harris vermutlich ist.
„Als ich das erste Mal von Hamilton Brown und Kamala Harris hörte, war ich fasziniert, weil ich dachte, ich hätte einen berühmten Vorfahren“, sagt Linde Lunney. „Aber je mehr man sich mit Brown beschäftigt, desto weniger mag man ihn. Er war ein Schläger, um es nicht zu sehr zuzuspitzen.“ Es ist zugespitzt genug. Die Geschichte tourismustauglich zu verpacken, dürfte mühsam sein.
Über den Besuch einer Präsidentin Harris in Ballymoney würden sich aber wohl alle freuen. Solange niemand den Ur-Ur-Ur-Ur-Opa erwähnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod