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Schulleitungen fehlen bundesweitTausend Schulen ohne Aufsicht

Die Abwesenheitsliste von Schulleitungen wird länger, viele Schulen suchen Ersatz. Schuld ist nicht nur der Lehrkräftemangel.

Ein Schulleiter in freier Wildbahn? Mancherorts eine Seltenheit Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin taz | Der Gang zur Schulleitung war früher gefürchtet. Heute trifft man indes öfter ein leeres Büro an. Eine Umfrage der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) zeigt, dass mehr als tausend Schulen händeringend nach neuen Leitungen suchen. Nach Angabe der Kultusministerien handelt es sich um mindestens 1.286 Stellen, die bundesweit nicht oder nur kommissarisch besetzt sind. In NRW fehlen 328 Stellen, dicht gefolgt von Baden-Württemberg (221) und Niedersachsen (162), so die NOZ.

„Es muss sich schnell etwas ändern“, sagt Anja Bensinger-Stolze von der Bildungsgewerkschaft GEW der taz. Als Vorstandsmitglied für den Bereich Schule beobachtet sie die Entwicklungen schon lange mit Sorge. „Derzeit überlegen sich Viele dreimal, ob sie den Job machen wollen“, sagt sie angesichts der vielen Vakanzen.

Mann und Frau für Alles

Die Di­rek­to­r:in­nen müssten immer mehr Aufgaben übernehmen. Sie leiden unter dem Lehrkräftemangel, wenn sie ständig Lücken im Stundenplan füllen oder selbst einspringen müssen. Zudem landen viele Extraprojekte beim Direktorat: etwa die Digitalisierung oder der Neubau der Sporthalle. „Eine Schulleitung sollte keine Bauleitung und IT-Expertin sein müssen“, sagt Bensinger-Stolze.

Stetig herausfordernd seien auch die Organisation der Ganztagsbetreuung und die Inklusion von Schüler:innen. Am meisten auf der Strecke bleibe der Papierkram. Bensinger-Stolze kritisiert, dass in Hessen etwa keine Verwaltungskräfte in Schulbüros mehr existieren. „Es braucht mehr Personal, neben der Leitung auch für die Verwaltung“, so die Vorsitzende.

Öffentlicher Druck auf Schulen steigt

In einer repräsentativen Forsa-Umfrage aus dem letzten Jahr benennen Schulleitungen den steigenden Verwaltungsaufwand als zu belastend. Dazu komme bei 62 Prozent der Befragten der öffentliche Druck. Nach dem Motto: Schulen sollen gesellschaftliche Probleme lösen. Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, bekräftigt das auf Anfrage der taz: „Schulleitungen gewinnen immer mehr das Gefühl, dass die Schule zum Reparaturbetrieb der Gesellschaft verkommt.“

Die Zustände der Schulen wirken sich auf den Bildungserfolg aus. Seit zwanzig Jahren habe sich in den deutschen Pisa-Studien wenig verändert, so Bensinger-Stolze. Das Ergebnis von 2023 beweise erneut, dass die sozioökonomische Herkunft der Schü­le­r:in­nen immer noch den Bildungserfolg bestimme.

„Die Schulleitungen wollen gestalten und die Lage verbessern. Aber das schaffen sie nicht, weil sie so viel parallel managen müssen“, so die Vorsitzende.

GEW fordert einheitliches Gehalt

Neben dem mangelnden Personal und der Arbeitslast schwankt das Gehalt je nach Bundesland. „Die Arbeit muss besser honoriert werden. Die GEW fordert: Jede voll ausgebildete Lehrkraft muss ein A13 Gehalt als Einstieg erhalten.

Hamburg gehe mit gutem Beispiel voran. Alle Lehrkräfte verdienen dort nach A13 rund 4.500 Euro. Laut Umfrage der NOZ herrscht in Hamburg kaum Mangel an Schulleitungen.

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10 Kommentare

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  • Ich habe kürzlich mal den Pausenhof einer IGS überquert.



    Dort gab es eine Aufsicht, die aber das Wegsehen schon professionell beherrschte. Aber was könnte sie denn auch bewirken, wenn sie tatsächlich hinschauen würde....

  • Es geht sicher auch ums Geld und fehlende Verwaltungskräfte. Aber der Hauptgrund liegt wohl eher in der dysfunktionalen Organisation deutscher Schulen. Da ist halt so gut wie kein(e) Schulleiter:in wirklich in einer Führungsfunktion mit eigenem Gestaltungsraum, sondern fast immer „Diener mehrerer Herren und Damen gleichzeitig. Die Lehrer werden in der Regel als Landesbedienstete überregional verwaltet und zugewiesen, der Hausmeister gehorcht mit seinen Vorlieben und Möglichkeiten den Vorgaben des örtlichen Schulträgers, die Verwaltungskraft ( so vorhanden) auch. Die Eltern haben einerseits vielfältige Mitsprachemöglichkeiten, aber andererseits keinen wirklichen Einfluss auf die Rahmenbedingungen.



    Und mancher kommunale Politiker hat zwar keine Ahnung, kennt aber genug Anekdoten aus der eigenen längst vergangenen Schulzeit. Wer mehr qualifiziertes Führungspersonal will, sollte erst mal das organisatorische Chaos aufräumen.

  • Die meisten Menschen, die Lehrer wurden, unterrichten gerne und haben auch Interesse an Pädagogik. Warum sollten sie zu einem schlecht bezahlten Verwaltungsfuzzi werden und sich mit überkritischen Kollegen, Eltern und Schülern herumärgern?

  • Nun, hier merken wir 20-30 Jahre Neoliberalismus. Es muss halt gespart werden. Und statt auf Qualität wurde auf reine Erhöhung der Unterrichtsstunden gesetzt. Wieder und wieder. Dazu die vermehrten Anforderungen ohne mehr Sozialarbeiter, Schulpsychologen usw.



    Wenn wundert es da.

  • Den wichtigsten Fakt nennt der Artikel nicht: Die unterirdische Bezahlung von Schulleitern für den Mehraufwand. Das ist nicht allein eine pekuniäre Frage, sondern ebenso eine der Wertschätzung.

    • @rakader:

      Das kann man so pauschal nicht sagen. Eine A15 bzw. A16 (Gymnasium) plus Zulage geht (je nach Land) schon recht schnell über die 5.000 netto hinaus. Das ist sicher nicht unterirdisch.

      Es gibt (gab?) natürlich auch Länder wo die Leitung einer Grundschule nur eine A13 ohne Zulage bekommt.

      Man könnte es natürlich auch so interpretieren, dass die Vergütung schon bei einfachen Lehrern gar nicht das Problem ist (siehe die extrem hohe Teilzeitquote), sondern die Belastung.

      Eine alternative - und gemeinere - Interpretation ist, dass die Leute ja nicht Lehramt studiert haben um Vollzeit (auch in Ferienzeiten!!) zu arbeiten und stressige Führungsjobs zu übernehmen.... ;)

      • @Chris McZott:

        Sie verwechseln hier etwas. Und Ihre Aussagen spiegeln nicht die Realität.

        Die Vergütung von Schulleitern erfolgt über das jeweilige Besoldungsgesetz gemäß Mehrarbeitsvergütungsregelung. Da es für Lehrer so gut wie keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt, werden die geleisteten Mehrstunden bis höchstens 40 Euro/Stunde (Bayern) vergütet, ansonsten mit Freizeitausgleich verrechnet. Generell wird innerhalb der Normalarbeitszeit die Mehrarbeit gar nicht vergütet.



        In der Regel bekommen Schulleiter 180 Euro Amtszulage ab 80 Schülern in Baden-Württemberg. Wegen diese Unattraktivität hat man in Baden -Württemberg nun die Begrenzung auf über 80 Schüler aufgehoben. Attraktiv ist es immer noch nicht.

      • @Chris McZott:

        Nur dass Vollzeit in diesem Fall 50 bis 60 Stunden pro Woche bedeutet.

        • @ Guido Engel:

          Sie pauschalisieren unzulässig. Das hat nichts mit Schulleitung zu tun. Mein Onkel ist Schulleiter, ich denke, dass ich ein wenig Einblick habe.

          • @rakader:

            Das ist anekdotische Evidenz aus 2. Hand.



            Wer argumentiert hier nicht sauber? Sie brauchen nur entsprechenden Studien recherchieren oder Sie warten auf die große Studie der GEW/Uni Göttingen.



            Allerdings spricht ja schon die Tatsache Bände, dass keiner ChefIn werden will.