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Nachruf auf Alex SalmondDer Schottland abspalten wollte

Als Parteichef der SNP und Premier machte er die schottische Unabhängigkeitsidee zu einer Bewegung. Jetzt ist Alex Salmond mit 69 Jahren gestorben.

Alex Salmond – nach seinem Tod erinnern sich Freunde wie Feinde nur im Guten an ihn Foto: Jane Barlow/ap

Dublin taz | Er hat die schottische politische Landschaft jahrzehntelang dominiert. Alex Salmond, den Freund und Feind als „klug, schlitzohrig und strategisch brillant“ beschrieben, hatte entscheidend zum Aufstieg der Scottish National Party (SNP) beigetragen. Er hat aus der anfangs hoffnungslos erscheinenden Idee von Schottlands Unabhängigkeit eine breite Bewegung gemacht, auch wenn das Referendum 2014 verloren ging.

Am Samstag ist Salmond im nordmazedonischen Seebad Ohrid, wo er auf dem Forum des Instituts für Kulturdiplomatie einen Vortrag gehalten hatte, gestorben. Er ist nur 69 Jahre alt geworden. Vermutlich hat er einen Herzinfarkt erlitten, die offizielle Todesursache wird nach einer Obduktion bekannt gegeben. Am Wochenende wurden die Fahnen auf dem schottischen Parlamentsgebäude in Edinburgh auf halbmast gesetzt.

Salmond, der 1973 als Student in die SNP eintrat, wurde an der Eliteuniversität St. Andrews ausgebildet und arbeitete dann für die Royal Bank of Scotland als Ölexperte. Seit 1981 war er mit der 18 Jahre älteren Moira McGlashan verheiratet, die beiden lebten am Ortsrand von Strichen in Aberdeenshire.

1987 gewann Salmond ein Direktmandat für das schottische Parlament. Drei Jahre später wurde er Parteichef. Nach internen Führungskämpfen trat er 2000 ab, doch vier Jahre später holte man ihn zurück, weil sein Nachfolger John Swinney, der inzwischen wieder SNP-Chef ist, selbst im besten Schottenrock wie ein blasser Bürokrat wirkte.

Vom Referendum zum Vorwurf sexueller Belästigung

2007 wurde die SNP stärkste Kraft im schottischen Parlament, Salmond wurde Erster Minister. Vier Jahre später reichte es zur absoluten Mehrheit. Das war Salmonds Chance, ein Referendum für die Unabhängigkeit zu erzwingen. Nachdem der Volksentscheid verloren war, trat er als Parteichef und Premierminister zurück und ließ sich 2015 ins britische Unterhaus wählen.

Salmonds rasanter Abstieg begann zwei Jahre später. Seit November 2017 moderierte er eine Sendung beim russischen Staatssender Russia Today. Seine ehemaligen Parteifreunde warfen ihm vor, sich zum Helfer von Wladimir Putin zu machen. Ein Jahr später beschuldigten ihn Mitarbeiterinnen sexueller Übergriffe. Im März 2020 sprach ihn ein Gericht trotz belastender Indizien frei. Der Fall Salmond ist einer der Hauptgründe dafür, dass Schottland in Vergewaltigungsfällen Verfahren ohne Geschworene anstrebt.

Die anschließende Untersuchung über den Umgang der schottischen Regierung mit den Anschuldigungen der Frauen führte zu einer Spaltung innerhalb der SNP. Nach 45 Jahren Mitgliedschaft, davon 20 als Parteichef, trat Salmond aus der SNP aus und gründete die Partei Alba, der gälische Name für Schottland, doch bei den Wahlen 2021 kam sie nur auf 2,3 Prozent der Stimmen.

Nach seinem Tod ist alles vergeben und vergessen, seine früheren Gegner haben viel Gutes über ihn zu sagen. „Alex Salmond war einer der großen politischen Unruhestifter unserer Zeit, der Vater des modernen schottischen Nationalismus“, sagte ausgerechnet der frühere britische Premier Boris Johnson, ein Alphamännchen wie Salmond. „Er war charismatisch, klug, bissig und furchterregend in Debatten. Ich bin froh, dass es ihm nie gelungen ist, die Union aufzulösen, aber sehr traurig, dass er von uns gegangen ist.“

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4 Kommentare

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  • Sich von ausländischen Mächten einspannen lassen, sollte man nicht. Sonst gehört man zum Parcel of Rogues, nur anders. Auch als gelernter Historiker so viele wüste Mythen zu Schottland erfinden lassen. Tss tss.

    In einem postnationalen Europa hat eine gewisse Handlungsfreiheit bereits eher Sinn. SNP-Schottland war damit sozial, als die Tories immer asozialer wurden. Dafür aber danke!

    • @Janix:

      Wobei Schottland sehr europäisch ist im Gegensatz zu England. Die SNP wollte ein eigenes Land der Schotten. Aber klar in der EU.

      • @Kartöfellchen:

        Ja,



        die Lösung ist klar wie natürlich undurchführbar:



        Schotten und protestantische Nordiren tauschen den Ort.



        Dann ist die Insel Irland komplett EU, was sehr viel Komplikationen erspart.



        Ich würde als Schotte aber Staffa nicht gegen Giant's Causeway tauschen.

  • Eine seltsame Sache: In der angelsächsischen Tradition dienen Jurys dazu, die Rechtssicherheit herzustellen. Jetzt urteile eine Jury auf Freispruch, trotz Indizien. Dann waren die Indizien möglicherweise nicht ausreichend. Das kommt vor. Ergebnis: Wenn das System nicht das gewünschte! Ergebnis liefert. Dann ändern wir es. Was ist das für eine Sicht auf den Rechtsstaat?