Album „City Lights“ von The Waeve: Motten und modulare Synthesizer
The Waeve sind Rose Ellinor Dougall und Graham Coxon. Auf „City Lights“ machen die beiden Stars bukolischen Acid-Folk für für Randgruppen.
Als Mitglied von Blur hat Gitarrist Graham Coxon seine Band bereits in den 1990er Jahren an die Spitze der Charts katapultiert. Obwohl es wie ein Klischee klingt: Richtig glücklich hat ihn der große Erfolg von Britpop, unter den auch Blur einsortiert wurden, nie gemacht – zumindest nicht auf persönlicher Ebene. Vielleicht war es deshalb ein Muss, sich als Solist und mit Musikprojekten jenseits von Blur weit entfernt vom Mainstream zu positionieren.
Auch als eine Hälfte des Duos The Waeve schielt er keineswegs auf Hits, sondern priorisiert lieber künstlerische Ambitionen. Wobei Ausflüge zum Postpunk oder Progressive Rock ebenso legitim sind wie jazzige Bläsersätze und Improvisationen mit einem modularen Synthesizer.
In elektronische Gefilde
Damit liegt Coxon auf einer Wellenlänge mit Rose Elinor Dougall, seiner Kreativpartnerin. Mit ihrer früheren Band The Pipettes war auch Dougall ein Popstar, drang tief in den Sixties-Retropop ein. Als Solistin begann sie ebenfalls zu experimentieren und stieß dabei oft in elektronische Gefilde vor. Ende der Zehnerjahre hatte sie Lust, sich mit Graham Coxon zu verbünden. Und also begeisterte sie ihn 2020 bei einer Charity-Veranstaltung in London dafür, gemeinsam Songs zu komponieren.
Während die zwei an ihrem Debütalbum als The Waeve arbeiteten, funkte es zwischen den beiden auch privat. Noch bevor ihr Debütalbum schließlich 2023 veröffentlicht wurde, wurde ihre gemeinsame Tochter geboren.
The Waeve: „City Lights“ (Transgressive/Firebird Label Services)
Ihr ist mit „Song for Eliza May“ auf dem nun erschienenen zweiten Album „City Lights“ ein zentraler Moment gewidmet. Trotz der niedlichen Mandoline, die das erste Drittel des Songs prägt, haben die Eltern kein zuckersüßes Gute-Nacht-Lied für ihren Sprössling erschaffen.
Mit der Zeit entwickelt sich eher ein Folkrock-Crescendo. Das passt gut zum Songtext. Denn Rose Elinor Dougall macht ihrem Kind unmissverständlich klar, dass das Leben kein langer ruhiger Fluss sein wird. „I dread the day when you first realise the cruelity of thruth that life ain’t fair“, singt sie.
Licht und Schatten
Licht und Schatten liegen auf diesem Album stets dicht beieinander. Selbst in dem Liebeslied „I belong to“, einer düster-sphärischen Ballade, in der es emotional wird. Im Intro spuckt ein Synthesizer finstere Gothic-Celloklänge aus, bevor Graham Coxon sanfte Sätze sprechsingt: „A thousand smiles I wiped from my face / And in their place / A thousand frowns now / Linger there the wear and tear /Among the eggshells, a broken frame / Then you came.“
Eine bestimmende musikalische Konstante festzumachen, fällt für den Sound von The Waeve gar nicht so leicht. Ständig diffundiert das Duo seine Klangmelange. So bombardiert es die Hörerinnen und Hörer in „Druantia“ mit Prog, „Simple Days“ zeigt sich versponnen-bukolisch, wenn Graham Coxon zur akustischen Gitarre greift.
„Moth to the Flame“ gibt einem Saxofon die Chance, Akzente zu setzen. „Broken Boys“ haut einem laute Gitarrenriffs um die Ohren, die Verstärkung von Synthesizern bekommen. So paart sich Punk mit Art-Rock. „Girl of the Endless Night“ bedient sich beim Acid-Folk. Rose Elinor Dougall kommt zu dem Schluss: „All those lost and endless nights meant nothing, you know /And all that wasted time with broken people.“ Ob es als Teil einer Kleinfamilie dann einfacher wird, bleibt allerdings abzuwarten.
Mit „City Lights“ verkündet Graham Coxon: „You’re in my soul, in my soul“. Musikalisch bleibt der Titelsong exzentrisch. Er rangiert irgendwo zwischen dem kunstvollen Glamrock von Roxy Music und David Bowies „Low“-Phase. Epigonal wird es aber nicht, im Gegenteil, hier ist die Versuchung groß, die Repeat-Taste zu drücken. Dabei entfacht jede Nummer aufs Neue die schöpferische Kraft der beiden Künstler:Innen.
Man spürt die Leidenschaft, mit der Rose Elinor Dougall und Graham Coxon im Studio beim Arrangieren ihrer Songs zu Werke gehen. Damit haben sie die Neugier auf ein drittes Album geschürt, mit dem sie ihre Geschichte hoffentlich weiterschreiben werden.
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