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Nordische MinderheitenparteiLars Harms verlässt nach fast 25 Jahren den Landtag

Ein Vierteljahrhundert lang hat sich Lars Harms nicht nur für die Belange der dänischen Minderheit eingesetzt. Nun will er aufhören.

Urgestein des Kieler Landtags: SSW-Politiker Larms Harms Foto: Markus Scholz/dpa

Rendsburg taz | Wie viele Reden er in seinem politischen Leben gehalten hat? Das weiß Lars Harms wahrscheinlich selbst nicht. Seit 2000 sitzt der Nordfriese als Abgeordneter der Minderheitenpartei SSW im Kieler Landtag. Nun hat der 59-Jährige seinen Rückzug angekündigt: Im Januar wird er sein Mandat niederlegen, um mehr Zeit für seine Familie und seine Hobbys zu haben: „Fußball, Reisen, lecker essen.“

Als der studierte Betriebswirt von seinem Job als Leiter der Tourist-Information Heide in den Landtag wechselte, regierte in Schleswig-Holstein noch die SPD, Spitzenkandidatin Heide Simonis holte 43 Prozent der Stimmen. In jenem Jahr wurde die Bundes-CDU von einer Spendenaffäre geschüttelt, Wladimir Putin erstmals zum russischen Präsidenten gewählt und in Hannover lief die Weltausstellung Expo. Den Begriff „Smartphone“ gab es zwar schon, aber bevor das erste Gerät auf den Markt kam, vergingen noch sieben Jahre. In Kiel war der SSW, der als Minderheitenvertretung von der Fünf-Prozent-Klausel befreit ist, erstmals mit vier Personen vertreten.

In späteren Jahren saß Harms, der Vater von sechs Kindern ist, teils mit nur einer weiteren Abgeordneten im Parlament – und beide schafften es, zu allen Themen sprechfähig zu sein: „Man muss ein grobes Gerüst draufhaben und dann Prioritäten setzen“, sagte Harms damals über seine Arbeitsweise als Allround-Parlamentarier. „Wir konzentrieren uns auf Punkte, in denen wir vielleicht etwas bewegen können.“

Zu den Dingen, die er bewegt hat, zählt der 1,90-Meter-Mann das Tariftreuegesetz, das der SSW in Schleswig-Holstein mit auf den Weg gebracht hat. In seiner Bilanz zählt er als „weitere Meilensteine“ das Friesischgesetz, die Anerkennung der Sinti und Roma als weitere Minderheit in der Landesverfassung und die finanzielle Gleichstellung von Schulen der dänischen Minderheit auf.

Als Spitzenkandidat das beste Wahlergebnis geholt

Eine schwarze Stunde war die gescheiterte Koalition von SPD, Grünen und SSW im Frühjahr 2005, als ein Unbekannter aus den eigenen Reihen Heide Simonis seine Stimme verweigerte. Damals hatte die CDU eine harsche Kampagne gegen den SSW gefahren und angezweifelt, ob „Dänen“ in einem Landesparlament mitregieren dürften. Erst 2012 kam es zu dieser Koalition. Obwohl der SSW ein Ministerium besetzen durfte, entschied sich Lars Harms, der bis 2007 auch Gemeinderatsmitglied in seinem damaligen Wohnort Koldenbüttel war, Abgeordneter zu bleiben.

Bei der Landtagswahlen 2022 fuhr der SSW mit Harms als Spitzenkandidaten das beste Wahlergebnis seit Gründung der Partei in Schleswig-Holstein ein. „Und wir haben auch noch die Rechtsradikalen rausgeschmissen, mehr kann man nicht erreichen“, sagt Harms in einer Botschaft auf der Homepage des SSW – gemeint ist, dass die AfD aus dem Landtag gewählt wurde. Er habe eine „tolle Zeit gehabt“, aber jetzt gebe es genügend junge Leute in der Partei, die die Arbeit weitermachen könnten.

Harms Rückzugs-Ankündigung kam überraschend. Aus allen Fraktionen meldeten sich Abgeordnete, die die Entscheidung bedauerten. Einhelliger Tenor: „Lars wird dem Parlament fehlen.“

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1 Kommentar

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  • @Wolfgang Kubicki: Lars sagte, er ziehe sich lieber rechtzeitig aus eigenem Antrieb zurück bevor er das Gefühl hat, den Zeitpunkt verpasst zu haben und den anderen "dann nur noch auf den Sack zu gehen."

    Chapeau Lars, und Danke für die in den letzten 25 Jahren für das Land Schleswig-Holstein geleistete produktive Arbeit! Von Herzen alles Gute für die Zukunft!