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Atomkraft für die Künstliche IntelligenzDie Doppeldystopie

Johannes Drosdowski
Kommentar von Johannes Drosdowski

KI verbraucht sehr viel Energie. Die Konzerne wollen dafür Atomkraft nutzen. Verrückt? Wahrscheinlich. Aber vielleicht hilft's ja.

Ziemlich böseste KI: Agent Smith aus „The Matrix Revolutions“ Foto: mary evans/warner/imago

V orab: Atomstrom macht Spaß. Nur eben nicht: Atommüll und Atomkatastrophen. Die dürfte eigentlich je­­de*r fürchten, der weiter denkt als bis zur nächsten Steckdose. Trotzdem setzen Google, Microsoft und Amazon jetzt wieder verstärkt auf Atomstrom. Ausgerechnet für Künstliche Intelligenzen. Die verursachen nämlich ganz schön Energiebedarf in den Rechenzentren der Konzerne. Und deren Lösung ist Atomstrom aus wieder in Betrieb genommenen und aus komplett neuen Minikraftwerken in den USA. Oh je, eine Doppeldystopie: Atomkatastrophe und KI.

In der Popkultur – bleiben wir da, denn echte Emotionen sind sehr viel komplexer – basiert die KI-Dystopie meist darauf, dass die KI sich (auch charakterlich) verselbstständigt und dann a) Freiheit sucht wie in „Ex Machina“ oder b) ihren Energiehunger stillen will wie in der „Matrix“-Reihe. Bei Charakter, Handlungswille, Bewusstsein … da sind wir (noch?) nicht. Aber die Fantastik beliefert uns ja auch nicht mit Fakten, sondern mit Wahrheiten über Gefühle. In „Matrix“ beliefern deswegen Menschen in künstlichen Fruchtblasen als lebende Akkus die Maschinen. Dafür brauchen die Menschen wiederum selbst Energie und – zack! – sind wir beim Mittagstisch à la „Soylent Grün“, denn die Maschinen ernähren die Menschen via Schlauch mit zu Mus verarbeiteten anderen Menschen. Wir verzehren uns selbst.

Die Angst vor dem Selbstverzehren zugunsten der Maschine wandert schon ein Weilchen faulend durch Filme und Comics. In „Matrix“ fressen die Roboter. Bei Romero und Co. die Zombies. Die Maschine, das brutale, mörderische, kritisierte System, war dort anfangs die Sklaverei, dann der Kapitalismus.

Dürfen die das?

KI ist nicht Sklaverei. KI wird nicht unsere Gehirne naschen oder uns in künstliche Fruchtblasen quetschen. Aber wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Konzerne für KI Energiequellen anzapfen, die eigentlich schon längst hätten versiegen und versiegelt sein sollen. Denn selbst wenn es nicht zu der Katastrophe kommt in den Kraftwerken – und die Erfahrung widerspricht hier dem Optimismus –, so bleibt doch der Müll. Und der verzehrt langfristig die gesunde Zukunft unseres Planeten und damit die der Menschheit.

Es stellt sich also die ethische Frage: Dürfen die Konzerne das überhaupt? Dürfen wir das überhaupt? Denn auch wenn Google, Microsoft, Amazon die Entscheidung treffen, von wo sie ihre Energie beziehen, verbrauchen ja doch auch wir die Energie.

Nur was Energie bekommt, kann auch wachsen. Wir können bestimmen, in welche Richtung. Vielleicht ja in diese: KIs im Kampf gegen den Klimawandel. Da haben wir Menschen nämlich alleine bisher keine Lösungen gefunden

Viele von uns Nor­mal­bür­ge­r*in­nen nutzen bewusst vor allem KI, die mit uns chattet. Damit sie uns einen super langen Text zusammenfasst. Oder kurz erklärt, wie ich perfekte, vegane Spätzle koche. Oder für Beziehungstipps. Eine einzelne Suchanfrage bei ChatGPT soll 2,9 Wattstunden verbrauchen, berechnete das Electric Power Re­search Institute. Zehnmal mehr als eine Google-Anfrage. Wer 20-mal googelt, verbraucht so viel Energie wie eine Energiesparlampe in einer Stunde. Wer einmal ChatGPT bittet, die Arbeitsmail neu zu formulieren, könnte also auch genauso gut 30 Minuten lang ein Licht anmachen. Bekäme dafür aber leider keine bessere Mail.

Die Masse macht’s: Im November 2023 sagte Sam Altman, der CEO von OpenAI, dass weltweit wöchentlich 100 Millionen Menschen ChatGPT nutzen würden. Aber die stellen ja auch nicht nur eine Frage. Das Portal ingenieur.de vom Verlag VDI Fachmedien, einem Medienunternehmen für In­ge­nieu­r*in­nen, rechnet mit 214 Mil­lio­nen täglichen Anfragen. Das verbrauche über eine halbe Million Kilowattstunden Energie pro Tag.

Das Problem mit der Eigenverantwortung

KI muss also dringend energiesparender werden. Es braucht mehr Green Coding, klüger gebaute Rechenzentren, klimabewussteres KI-Training. Und ja: Vielleicht müssen wir nicht alles die KI fragen. Aber es wäre falsch, jetzt nur auf Eigenverantwortung zu setzen.

Denn unser Umgang mit Corona („Also ich zieh im Zug keine Maske mehr auf!“) und Klimawandel („Ach, der eine Flug nach Italien“) hat gezeigt: Wir Menschen sind nicht besonders gut mit Eigenverantwortung. Und die Fiktion der Zombie­serie zeigt: Wer als Ein­zel­ne*r gegen den Kapitalismus im Hirn­rausch schießt, wird ganz schnell gebissen. Es braucht Gemeinschaften, die sich selbst Regeln geben und Grenzen setzen. In unserem Fall vielleicht: Regeln für die Konzerne. Damit der Atomstrom zum Beispiel nicht komplett für Chatbots draufgeht, sondern in den Fortschritt fließt. Vielleicht so: 70 Prozent der Energie müssen Wissenschaft, Bildung, Me­dizin dienen und die entsprechenden KIs müssen kostenfrei nutzbar sein.

Nur was Energie bekommt, kann auch wachsen. Wir können bestimmen, in welche Richtung. Vielleicht ja in diese: KIs im Kampf gegen den Klimawandel. Da haben wir Menschen ganz offensichtlich alleine bisher keine Lösungen gefunden, die wir auch wirklich umsetzen können oder wollen. Vielleicht fällt den KIs ja etwas ein. Idealerweise ohne Atomstrom. Hauptsache aber: ohne Menschen als Akkus.

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Johannes Drosdowski
Redakteur Medien/Digitales
Redakteur für Medien und Digitales. Ansonsten freier Journalist und Teamer zum Thema Verschwörungserzählungen und Fake News. Steht auf Comics, Zombies und das Internet. Mastodon: @drosdowski@social.anoxinon.de
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13 Kommentare

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  • Wie sieht eine Souveräne KI aus? Ich denke ohne Atomkraft, mit Open Source und verantwortlichem Einsatz. Ich freue mich, dass Jutta Paulus und Alexandra Geese das Thema auf dem Schirm haben.

  • Die Welt wird nur von den Menschen gestaltet, die in Eigenverantwortung agieren. Es ist daher falsch, hier das Prinzip der Eigenverantwortung zu diskreditieren. Insbesondere gilt das, wenn es um die sogenannte KI geht.

  • Die Lösungen gegen zusätzlichen Klimawandel sind bekannt: Solarstrom, noch mehr Solarstrom, Windenergie und Speicher (Wasserstoff, Batterien und Warmwasserspeicher). Durch die KI braucht es noch mehr davon. Ein internationales Abkommen, wonach Rechenzentren nur noch erneuerbare Energien im Strom nutzen, wäre ein möglicher Schritt. Den Atomstrom kann Bill Gates dann auch an andere Kunden verkaufen.

  • Dem Klimawandel ordentlich einheizen? Die KI stimmt zu.

  • Da haben die Leute schon die schöne künstliche Intelligenz,aber sie benutzen sie nicht. Fragen nicht danach was billiger ist. Atomkraft oder Windenergie. Da darf natürlich gefragt werden,was das bringen soll mit dem Ausbau der KI,wenn man selbst die Ergebnisse ignoriert.

  • Der "KI"-Hype ist auf so vielen Ebenen gefährlich, da ist die Renaissance von AKWs nur die Spitze des Eisbergs. Seit Beginn des (erneuten) Hypes gab es in Fachkreisen wegen der hohen Fehlerrate die beiden Ansätze "wir brauchen nur mehr Rechenpower" vs "wir brauchen andere Methoden". Klar, dass sich das Brechstangenlager durchgesetzt hat, mit genausoviel Verstand wie eine "KI" ihn hat. Das hier ist die Fortsetzung des Bitcoin -Desasters, nur noch viel teurer für alle.

    Der Punkt Eigenverantwortung: Wenn Entscheidungen von "KI"s getroffen werden, ist niemand mehr verantwortlich, und selbstverständlich nicht der Hersteller der "KI". Das ist ein wichtiger Teil der Motivation der "KI"-Betreiber - Verantwortung zu eliminieren. Zu hoffen, "KI"s würden uns überforderten Menschlein die Lösung der planetaren Probleme nennen, ist so naiv wie gefährlich.

    Wir wissen alle ziemlich gut, was man anders machen könnte, und genausogut, warum das nicht passiert. Das Känguruh bringt es auf einen Punkt: Profitinteressen.

  • 1. Ist Atomkraft eine zukunftsfähige Technologie?



    2. Steht Atomkraft im Wohle Aller?



    3. War der Atomausstieg Deutschlands ein Fehler?

    - bitte kurze Antworten!

    Chatgpt:

    1.Nein.



    2.Nein.



    3.Nein.

  • Die Schwäche des Artikels zeigt sich in diesem Satz:



    "KIs im Kampf gegen den Klimawandel. Da haben wir Menschen nämlich alleine bisher keine Lösungen gefunden"



    Das ist Unfug. Die Lösungen sind da, z.B.: raus aus den fossilen Energien. Es fehlt lediglich der Wille in Politik und Gesellschaft.



    Daran kann auch eine KI nichts ändern.

  • taz: "KI verbraucht sehr viel Energie. Die Konzerne wollen dafür Atomkraft nutzen. Verrückt? Wahrscheinlich. Aber vielleicht hilft's ja."

    Ja, vielleicht hilft es und die KI sagt den Menschen, dass man von einer Technik (Kernkraftwerke) die man nicht 'beherrscht', endlich mal die Finger lassen sollte. Und von einer Technik, die die Menschheit irgendwann 'beherrscht' (Künstliche Intelligenz), sollte man lieber auch mal die Finger lassen.

    ***Die ich rief, die Geister - werd ich nicht mehr los!*** ['Der Zauberlehrling', Johann Wolfgang von Goethe]

    • @Ricky-13:

      Das weiß man alles schon lange, aber mit dem Porsche gleitet man so schön forciert durch den Verkehr, auf Malle ist das Wetter besser, auf der AIDA trifft man noch mehr Wohlstandsverwahrloste, Fummel von KIK kann man nach 1X-tragen wegwerfen, Hackfleisch bei Edeka kostet fast nichts, bei RTL lohnt Nachdenken sich nicht, TikTok u. ä. ersetzen die Schulen...



      Was kann denn KI noch Übles anrichten? Ein Symptom mehr auf der Liste der Selbstzerstörungswerkzeuge.

  • Kann KI bisher nicht einfach nur längst Bekanntes wiederkäuen?



    Wie soll "Statistik auf Speed" - dazu noch mit dem Energiebedarf von Kryptowährungen - unsere Klimaprobleme lösen?



    Da kommt wohl nur ne KI-generierte Powerpoint bei rum. Aber schick wird se werden, diese Bullshitpräsi.

  • Man muss sich nur die Rohstoffe anschauen, die für den unmenschlichen Wachstumszirkus benötigt werden, um zu verstehen, dass wir uns auf befristeten Irrwegen befinden, die nicht haltbar sein werden.

    • @BierzeltLeitkultur:

      Der unmenschliche Wachstumszirkus betrifft aber nicht nur die KI.

      "Wenn Menschen so schlau sind, warum sind wir so blöd?"



      Yuval Noah Harari