Kirchenasyl unter Druck: Hamburgs neue Härte

Wie geht es weiter nach dem Bruch des Kirchenasyls in Hamburg? Die Lage sei ernst, sagen Geflüchteten-Unterstützer:innen, hoffen aber auf Gespräche.

Der abnehmende Viertelmond ist hinter einem Kirchenkreuz zu sehen

Abnehmende Schutzwirkung: Immer häufiger setzen Behörden sich übers Kirchenasyl hinweg Foto: Swen Pförtner/dpa

HAMBURG taz | „Der Damm leckt an einigen Stellen“, sagt Manfred Ossenbeck, „aber er ist noch nicht gebrochen.“ Ossenbeck ist einer von drei Spre­che­r:in­nen des Bündnisses Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI). Der Deich in seinem Bild, das ist das Kirchenasyl, und die Lecks bestehen in dessen immer häufigerer Missachtung, dem notfalls auch drastischen Gebrochen-werden durch Behörden in verschiedenen Bundesländern. „Bisher sind es Einzelfälle – Einzelfälle, gegen die man aber strikt vorgehen muss.“

Besondere Aufmerksamkeit erfuhr jüngst so ein Fall in Hamburg: Im späten September war ein schutzsuchender Afghane aus den Räumlichkeiten einer katholischen Kirchengemeinde geholt und nach Schweden ausgeflogen worden – in der Stadt das erste derartige behördliche Handeln mindestens seit 1984, wenn nicht überhaupt; da gehen die Auskünfte auch unter den Ak­ti­vis­t:in­nen auseinander.

„Das Eindringen von Polizei und Ausländerbehörde in den geschützten Raum der Kirche ist in Hamburg bislang beispiellos und darf sich nicht wiederholen“, schreiben die Organisationen Hamburgasyl und Fluchtpunkt Hamburg – Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge“ in einer gemeinsamen Mitteilung. „Wir rufen den rot-grünen Senat auf, das Gespräch mit den Kirchen zu suchen und von weiteren Räumungen Abstand zu nehmen.“ Hamburg dürfe sich nicht „vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Druck setzen“ lassen oder „in den Strudel einer überhitzten politischen Debatte hineinziehen“.

Mit einer Mahnwache – Motto: „Hände weg vom Kirchenasyl!“ – wollen ökumenische und weitere Un­ter­stüt­ze­r:in­nen am heutigen Dienstag die Forderung unterstreichen, dass Hamburg einen lange bestehenden Konsens achten soll zwischen den Kirchen und den Behörden. Eben daran scheint sich aber die Landesbehörde nicht mehr gebunden zu sehen.

Mahnwache „Hände weg vom Kirchenasyl!“: Di., 8. 10., 16 Uhr, Hamburg, Reesendammbrücke/Jungfernstieg

Das Neue am viele so empörenden Hamburger Fall war nicht die Sichtweise des Bamf: Dass das Bundesamt sich einer Asyl gewährenden Kirchengemeinde nicht anschließt, ist inzwischen der Normalfall. Demgegenüber habe es in den Jahren 2015/16 „noch ungefähr bei 80 Prozent der inhaltlich entschiedenen Härtefälle gesagt: Ja, das sehen wir auch so“, erzählt Dietlind Jochims, Pastorin und Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche. Das aber geschehe „inzwischen so gut wie überhaupt nicht mehr“.

Die Umsetzung der Bamf-Entscheidung, also etwa die „Rücküberstellung“ eines Geflüchteten in das EU-Mitgliedsland, in dem er seinen Asylantrag gestellt hat oder das tun müsste, liegt immer schon beim Bundesland – und da erkennen die Ge­flüch­te­ten­hel­fe­r:in­nen eine bedenkliche Neuerung.

Pastorin Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche

„Es gibt eine große Entschlossenheit zu sagen: Von dem, was wir an Werten und Idealen und Menschenrechten für wichtig halten, lassen wir so schnell nicht“

Früher habe in Hamburg die Ablehnung durch das Bamf gerade nicht dazu geführt, dass die Polizei gerufen wurde, das Kirchenasyl zu brechen, so Ossenbeck. „Wenn von den angeordneten Rücküberstellungen im Bundesschnitt knapp 10 Prozent durchgeführt werden“, sagt Jochims, „dann ist natürlich die Frage: Wo handeln die Landesbehörden, und wo tun sie das nicht?“ Und: „Müssen sie tatsächlich, und das ist das Neue, an solche symbolisch hoch bedeutsamen Situationen rangehen, wie Leute aus einer Kirche zu holen?“

Für Ossenbeck reiht sich die jüngste Eskalation durchaus ein „in die Politik von Innnensenator Andy Grote: Mir ist noch in guter Erinnerung, wie er vor einigen Wochen zur Abschiebung nach Afghanistan, die notwendig sei, einen lapidaren Kommentar gemacht hat à la: Denen werden schon nicht sofort die Köpfe abgehauen werden.“

Nun ist dieser sozialdemokratische Bonmot-Hardliner halt erst mal im Amt. Ist damit das Kirchenasyl in Hamburg dahin? Jochims verweist auf „auch jetzt noch anstehende Gespräche“ zwischen Staat und Kirche. Sie sieht „Verunsicherungen bei den Gemeinden, bei den Ehrenamtlichen. Aber es gibt auch eine große Entschlossenheit zu sagen: Von dem, was wir an Werten und Idealen und Menschenrechten für wichtig halten, lassen wir so schnell nicht.“

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