Ausfälle bei der U-Bahn: Auf der Schiene knirscht's gewaltig
Neue Zahlen der BVG belegen die massiven Probleme im U-Bahn-Betrieb, vor allem auf zwei Linien. Die Lösung liegt weitgehend beim Hersteller neuer Züge.
Die U3 erzielte im Juli das schlechteste Ergebnis mit 32 Prozent, im August waren es dann immerhin wieder 58 Prozent. Die Regelkapazität gibt die für jede Linie vorgesehene Zahl an Fahrgästen pro Stunde und Richtung während der Hauptverkehrszeit an, sie wird aus dem Takt der Bahnen und den eingesetzten Zuglängen errechnet. Zum Vergleich: Auf den U-Bahnlinien des sogenannten Großprofils (U5 bis U9) gibt die BVG Erfüllungsquoten an, die in diesem Jahr immer um die 99 Prozent schwanken.
Während die Schöneberger Mini-Linie U4 eine stolze Quote von 100 Prozent erzielt, schwächelt auch die vierte Linie im Kleinprofil, die U2 – wenn auch weit weniger dramatisch. Im August kam sie auf 93 Prozent, am schlechtesten sah in den vergangenen 12 Monaten im April mit 91 Prozent aus. Die Realität hinter den Zahlen ist den NutzerInnen nur zu gut bekannt: Lange Wartezeiten auf den Bahnhöfen, und wenn die Bahn endlich einfährt, ist sie schon übervoll.
Dabei sieht die Pünktlichkeitsstatistik der U-Bahn, die Kapek ebenfalls abgefragt hat, auf den ersten Blick wenig dramatisch aus. Bei der U1 und der U3 schwankt sie seit Längerem zwischen 94 und 97 Prozent, während alle anderen Linien Werte um die 99 Prozent einfahren. Allerdings heißt das noch lange nicht, dass sich die Züge an den Fahrplan halten: Für die Statistik gilt eine U-Bahn als pünktlich, solange ihre Verspätung nicht mehr als dreieinhalb Minuten beträgt.
„Ohrfeige“ für die NutzerInnen
Für Kapek, verkehrspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, belegen die Zahlen erneut die „harte BVG-Krise, die voll zulasten der Fahrgäste geht“. Dass Schwarz-Rot „zum katastrophalen Ist-Zustand jetzt auch noch massive Kürzungen der Verkehrsverträge vorbereitet“, sei eine Ohrfeige für die ÖPNV-NutzerInnen. „Die dramatische Abwärtsspirale wird durch die angekündigten Kürzungen die Krise erst recht verschärfen“, so Kapek.
Gabi Jung, Geschäftsführerin des BUND Berlin, schlägt in dieselbe Kerbe: „Man kann sich auf die U-Bahn nicht mehr verlassen.“ Beabsichtigte Mittelkürzungen durch den Senat würden die Situation künftig noch verschärfen, die Verkehrswende könne so nicht gelingen. Gleichzeitig stecke die Landesregierung viel Geld in „eine unsinnige Verkehrssicherheitskampagne und ein kontraproduktives 29-Euro-Ticket“ und schreibe Machbarkeitsstudien für Verlängerungen der U2 und der U9 aus.
Die Verkehrsbetriebe selbst haben schon vor einigen Wochen die Signale auf Selbstkritik umgestellt: Ende September war in einer Mitteilung des Unternehmens von „ungeplanten Ausfällen in größerem Ausmaß“ bei der U-Bahn und vom „verständlichem Ärgernis der unzureichenden Fahrgastinformationen“ die Rede – man sei dabei, dies „schonungslos zu analysieren und auszuwerten“. Auch das zusätzliche Problem eines „sehr hohen“ Krankenstands beim Personal gehe man an, unter anderem durch Rücknahme von „Dienstplananpassungen“, die bei den Beschäftigten für Kritik gesorgt hatten.
Das größte Problem der BVG ist allerdings, dass sich die Lieferung neuer Bahnen durch den Hersteller Stadler massiv verzögert. Das hat dramatische Auswirkungen, weil der Fuhrpark stark überaltert ist. Eigentlich hätte der Schweizer Konzern, der die neuen U-Bahn-Reihen J und JK („K“ steht für „Kleinprofil“) in einem Pankower Werk produziert, schon 2022 mit der Auslieferung beginnen sollen. Der Rahmenvertrag mit der BVG sieht die Bereitstellung von bis zu 1.500 Wagen im Wert von 3 Milliarden Euro vor – der größte Auftrag, den die Berliner Verkehrsbetriebe jemals vergeben haben.
100 Wagen sind schon fertig
Zuletzt war der geplante Start der Auslieferung im laufenden Jahr gekippt worden. Gegenüber der taz versicherte die BVG vor Kurzem, die ersten Wagen seien „voraussichtlich“ 2025 einsatzbereit. Zu den Gründen schweigen sich Hersteller und Bestellerin weitgehend aus. Nach Informationen des nd sollen im Pankower Werk schon rund 100 fertige U-Bahn-Wagen stehen, die allerdings aufgrund von Problemen mit der Zug-Software nicht betriebsbereit seien. Das Blatt zitiert den Deutschlandchef von Stadler Rail mit dem Satz „Es ist kompliziert.“
Die Zürcher NZZ wiederum zitiert Stadler mit einem Verweis auf Probleme, die sich durch die Pandemiejahre ergeben hätten: „Die neue U-Bahn ist leider ein echtes Corona-Kind.“ Demnach hätten sich die Ingenieure wegen der Arbeit im Home-Office nicht gut austauschen können, und dann sei es auch noch durch den Ukrainekrieg zu Lieferengpässen bei Komponenten gekommen.
Immerhin glaubt man bei dem Schweizer Konzern, der sich im Rahmen der Vergabe mit einer Beschwerde des französischen Konkurrenten Alstom herumschlagen musste, fest an die eigenen Fähigkeiten: „Stadler hat sich mit dem BVG-Auftrag nicht übernommen“, zitiert die Zeitung das Unternehmen.
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