Ausgleich der Elbvertiefung: „Geld für die Sporthäfen wird zweckentfremdet“
Durch die Elbvertiefung verschlicken kleine Segelhäfen. Hamburg zahlt etwas zum Freihalten dazu. Das Geld komme nicht an, kritisieren Segler.
taz: Welche Folgen hat die Elbvertiefung für die schleswig-holsteinischen Segelhäfen?
Jan-Dirk Tenge: Das Phänomen, dass durch Ebbe und Flut Schlick in die Seitenarme der Elbe gespült wird, in denen die Häfen liegen, ist nicht neu. Das hatte zur Folge, dass man die Liegeplätze alle paar Jahre spülen oder ausbaggern musste. Jetzt hat sich das verschlimmert. Maßgeblich ist aber die letzte Elbvertiefung, die Anfang 2022 fertiggestellt wurde.
taz: Was bedeutet das?
Tenge: Jetzt sind mehrfach im Jahr Maßnahmen erforderlich. Die Ursache ist ganz einfach: Durch die Vertiefung hat sich die Fließgeschwindigkeit erheblich erhöht. Das Wasser ist trüber; es gibt kaum noch Stillstand, in dem das Sediment mal absacken könnte. Mit der Flutwelle wird der Schlick in die Seitenarme geschleudert, wo er sich dann absetzt.
Jan-Dirk Tenge53, ist Vorsitzender des Segler-Verbands Schleswig-Holstein und Rechtsanwalt in Kiel.
taz: Wie und wie oft müssen Sie die Schäden beseitigen?
Tenge: In der Saison zwei, drei Mal. Das ist aber von Hafen zu Hafen sehr unterschiedlich und hängt von der geografischen Struktur ab. Besonders schlimm ist es in Wedel, Haseldorf und Borsfleth. Letzterer hat schon über die Hälfte seiner nutzbaren Fläche verloren. Man kommt einfach nicht hinterher. Man braucht aber diese ganzen Hafenflächen: Das sind überwiegend kleine Vereine, die Mitglieder wohnen alle vor Ort. Die Kinder- und Jugendarbeit ist dadurch eingeschränkt. Und wenn alle irgendwo hinfahren müssen, ist das auch nicht besonders nachhaltig.
taz: Zahlt Hamburg dafür?
Tenge: Ja! Hamburg zahlt schon lange fünf Euro pro Tonne Schlick, die die Saugbagger in der Nordsee verklappen. Es gibt jetzt sogar eine neue Vereinbarung zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein: Hamburg zahlt weiterhin fünf Euro – die Schleswig-Holstein in ein Sondervermögen einbringen will –, einen Euro für das wissenschaftliche Monitoring der Auswirkungen und einen weiteren Euro direkt zur Förderung von diesen Maßnahmen.
taz: Reicht Ihnen das?
Tenge: Das würde locker reichen, ja. Aber die Vereinbarung läuft zwischen dem Umweltsenator Hamburg und dem Umweltministerium in Kiel. Zuständig für die Infrastruktur ist aber das Wirtschaftsministerium. Das hat im August dieses Jahres eine Richtlinie herausgebracht, durch die betroffene Häfen alle drei Jahre einen Zuschuss für 40 Prozent ihrer Baggerkosten beantragen können. Allerdings geknüpft an Voraussetzungen, die Sportboothäfen größtenteils nicht erfüllen, wie eine Bindungsfrist für die Liegenschaft von mindestens 15 Jahren. Und: Dieser zusätzliche Euro wird in einen Topf geworfen, der zur Förderung der Infrastruktur aller Häfen an der Westküste ist; das Geld wird also zweckentfremdet. Das ist alles gut gemeint, lässt aber erkennen, dass das Wirtschaftsministerium nicht originär für Sport zuständig ist, es denkt in diesem Fall Häfen nicht als Sportstätten. Für Sport zuständig wäre das Innenministerium.
taz: Das klingt kompliziert. Was wollen Sie jetzt tun?
Tenge: Wir sind im Austausch mit Landtagsvertretern, insbesondere dem Haushaltsausschuss, auch direkt mit dem Wirtschaftsministerium. Hamburg als der Verursacher ist bereit, mit zusätzlichen Mitteln zu helfen, aber in der Umsetzung läuft das schief. Wir haben aber auch Nachholbedarf, den kleinen Vereinen zu vermitteln, dass ihre Arbeit auch politisch sein muss. Wir müssen erkennen, dass der Sport Interessen hat und bereit sein, diese durchzusetzen.
taz: Welche Bedeutung hat Segeln denn für Schleswig-Holstein?
Tenge: Es ist Schwerpunktsportart. Wir zählen als kleines Bundesland 31.000 Segler. Wassersport ist ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Was die Wertschöpfung angeht, sind unter den zehn größten Sportveranstaltungen acht Wassersportveranstaltungen.
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