Einigung über Elbschlick: Ablass für Flussvertiefung

Hamburg und Kiel einigen sich bei Schlickverklappung. Sediment aus dem Hamburger Hafen darf weiter bei Helgoland versenkt werden. Hamburg zahlt mehr.

Bei der Wattolympiade vergnügen sich Leute im Schlick, während ein Containerschiff vorbeifährt.

Des einen Freud, des andern Leid: Elbschlick Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Aufatmen bei der Hamburger Hafenwirtschaft: Sedimente aus dem Hamburger Hafen dürfen auch in den kommenden zehn Jahren in der Nordsee versenkt werden. Auf ein entsprechendes Eckpunktepapier hat sich der Hamburger Senat mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung geeinigt.

Hamburg darf demnach mehr Baggergut verklappen als bisher, muss dafür aber auch mehr bezahlen. Auf eine entsprechende Erlaubnis hatten sich die drei Anrainerländer der Unterelbe mit dem Bund bereits im Dezember im Grundsatz verständigt.

Mit der Einigung endet ein Streit zwischen Nachbarn, der Hamburg zunehmend in die Bredouille gebracht hat, weil der Stadtstaat nicht mehr wusste, wohin mit dem Schlick und Sand aus seinem Hafen. Das Sedimentaufkommen hat im Zuge der jüngsten Elbvertiefung Rekordwerte erreicht, so dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit dem Baggern nicht hinterherkommt.

Sie sieht sich deshalb außerstande, die mit der Elbanpassung versprochenen Fahrtiefen zu gewährleisten. Die Lotsenbrüderschaft kritisierte, 400-Meter-Schiffe müssten „Slalom“ um die Untiefen fahren.

Keine Verklappung vorm Nationalpark

Vom Tisch ist mit dem Eckpunktepapier die Hamburger Ankündigung, den Schlick zur Not vor der Vogelinsel Scharhörn an der Elbmündung zu verklappen, also auf hamburgischem Gebiet. Malte Siegert, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) findet es „gut, dass Hamburg eingelenkt hat, trotz der höheren Kosten“. Denn die angedachte Stelle liegt direkt am Rande des Nationalparks Wattenmeer, eines Naturraums von Weltrang.

Darüber, wie stark der Nationalpark unter der Verklappung vor der Türe leiden würde, scheiden sich die Geister Hamburgs und seiner Nachbarländer. Der Bund und das betroffene Niedersachsen lehnten sie jedenfalls strikt ab. Jetzt sagt Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne): „Die Vereinbarung atmet den Geist der gemeinsamen Verantwortung: für das Weltnaturerbe Wattenmeer, die Elbe sowie den Hamburger Hafen als wirtschaftliche Drehscheibe Nordeuropas.“

Der Hamburger Nabu-Vorsitzende Siegert regt an, hierbei nicht stehenzubleiben, sondern zu überlegen: „Wie kann man dauerhaft dieses Mengen vermeiden?“ Für ihn bestünde die Lösung darin, allenfalls die neu geschaffene Breite der Fahrrinne zu behalten aber nicht deren Tiefe, um so die Sedimentation zu dämpfen.

Schon heute liefen die großen Containerfrachter Hamburg nicht voll beladen an, sagt Siegert. Kooperierte Hamburg mit Bremerhaven und Wilhelmshaven, so das mantrahaft vorgetragene Argument der Umweltverbände, könnte Hamburg auf die Tiefe verzichten.

Geld für Ausgleichsprojekte

Die jetzt getroffene Vereinbarung geht jedenfalls von höheren Baggergutmengen als bisher aus, die Hamburg zur Tonne E3 bei Helgoland bringen darf. Das Nachbarbundesland musste zustimmen, weil der von dem Seezeichen markierte Ort im schleswig-holsteinischen Teil der Nordsee liegt. Seit 2019 hat Hamburg dort insgesamt fünf Millionen Tonnen – gerechnet in Trockensubstanz – ins Meer geschüttet. Weil die vereinbarte Menge ausgeschöpft war, musste neu verhandelt werden.

In Zukunft darf die Stadt bis zu zwei Millionen Tonnen Sediment statt bisher 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr bei Helgoland versenken. Derzeit fallen auf Hamburger Gebiet nach Auskunft der Wirtschaftsbehörde zwei bis drei Millionen Tonnen pro Jahr an „mit großen Schwankungen“. Dazu kommt der Schlick aus der Bundeswasserstraße bis zur Elbmündung und den wichtigsten Landeshäfen.

Dafür, dass sie künftig bis zu zwei Millionen Tonnen verklappen darf, muss die Stadt sieben statt bisher fünf Euro pro Tonne bezahlen. Ein Euro davon soll Forschungen unterstützen, wie der Elbschlick für den Küstenschutz verwendet werden könnte, etwa beim Deichbau. Ein weiterer Euro davon soll helfen, der zunehmenden Verschlickung der kleinen Häfen am Rande des Stroms und der Nebenflüsse entgegen zu wirken. Die beiden Extra-Euros entfallen für den Anteil der Baggermenge, der über 1,5 Millionen Tonnen liegt.

Mit fünf Euro soll der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gefördert werden und die „grün-blaue Infrastruktur“ – insbesondere mit Blick auf die biologische Vielfalt. Damit ist das System aus Vegetationszonen und Gewässern im Land gemeint, das Tieren und Pflanzen Lebensraum bietet und das Klima dämpft. Ein Euro von den Fünfen könnte auch in einen Elbe-Solidarfonds fließen, den sich die beiden Länder vom Bund wünschen.

Giftige Altlasten

Der Fonds sollte sich aus Sicht der Länder um die Altlasten im Elbsediment kümmern. Denn über viele Jahrzehnte hat die Industrie mit ihren Abwässern Gift in den Strom geleitet, die sich in den Sedimentschichten abgesetzt haben. Durch den Strom selbst und durch die Baggerei werden sie freigesetzt. Das Baggergut kann deshalb nicht einfach unbesehen verklappt werden. Der vergiftete Teil wird separiert und aufwändig an Land entsorgt.

Mit der Verklappung bei Tonne E3 verbindet der Senat die Hoffnung, dass er die heutige Kreislaufbaggerei unterbinden kann. Denn ein großer Teil des Baggerguts wird heute flussabwärts vom Hafen in die Elbe gekippt und von der Flut wieder zurück geschwemmt.

Sollte der Platz bei E3 nicht ausreichen, käme noch eine Stelle in der sogenannten Tiefwasserreede am Rande des niedersächsischen Wattenmeers in Frage, das territorial auch zu Niedersachsen gehört. Nach Auskunft der Hamburger Wirtschaftsbehörde wird dieses Verfahren von Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) bearbeitet.

Bereits im Juni 2022 hat Hamburgs Hafenbehörde (HPA) beantragt, Baggergut in Deutschlands Ausschließlicher Wirtschaftszone 25 Kilometer westlich von Helgoland abladen zu dürfen. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) prüft diesen Antrag gerade. Dieses Genehmigungsverfahren ist für beide Beteiligte das erste seiner Art. „Mit einer Genehmigung wird derzeit nicht vor 2025 gerechnet“, teilte die Wirtschaftsbehörde auf Anfrage mit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.