Bundesgericht zum Parken auf dem Gehweg: Kein Recht auf Falschparken
Das Bundesverwaltungsgericht gibt Klägern recht, die gegen zugeparkte Gehwege klagten. Die Behörde kündigt Konkretes an – und lässt wenig folgen.
Bremen taz | Es wird seit Jahren geduldet, nicht nur in Bremen, ist aber eigentlich verboten: das Parken auf dem Gehweg, auch aufgesetztes Parken genannt. Ein Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig macht nun klar: Die Behörde vor Ort darf dies nicht einfach so hinnehmen, ein Gewohnheitsrecht fürs Falschparken gibt es nicht. Geklagt hatten mehrere Bremer*innen, die das Problem direkt vor ihrer Haustür haben.
Das Gericht erkennt an, dass die klagenden Anwohner*innen Anspruch darauf haben, dass die Behörde etwas tut und das Verbot gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) letztlich auch durchsetzt. Weil ihre Ressourcen begrenzt seien, könne die Behörde aber mit einem Konzept für ein stadtweites Vorgehen in den am stärksten betroffenen Quartieren anfangen.
Dass die Bremer Kläger*innen dadurch die Beeinträchtigungen vor der eigenen Haustür zunächst weiter dulden müssten, „belastet sie nicht unverhältnismäßig“, so das Leipziger Urteil. Zumindest, solange das Konzept „tatsächlich und nachvollziehbar“ umgesetzt werde.
Der Umstand, dass die Behörde das Gehwegparken seit Jahren duldet, ändere nichts; „ein ‚Gewohnheitsrecht‘ auf Gehwegparken wird dadurch nicht begründet“. Die auf den Gehwegen abgestellten Autos „nehmen einen Verkehrsraum in Anspruch, der Fußgängern zugewiesen ist“.
Unklar, wie viel Geweg übrig bleiben muss
Das Gericht macht deutlich: „Das Interesse der parkenden Verkehrsteilnehmer an einer ungehinderten Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens ist nicht schutzwürdig.“ Die langjährige generelle Duldung des Falschparkens könne allerdings erfordern, geplante Maßnahmen anzukündigen. Die Behörde müsse zudem die Auswirkungen „auf andere Straßen und deren Anwohner berücksichtigen“. Mögliche Maßnahme wäre etwa ein einseitiges Halteverbot, „das faktisch das Parken auf dem Gehweg verhindern würde.“
Eine genaue Angabe, wie viel Gehweg übrig bleiben muss, machte das Gericht nicht. Erforderlich sei stets „eine Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände“ – etwa die Länge und Dauer der Engstelle und die Dichte vom Fußverkehr.
Von 2019 bis Sommer 2024 hatten sich mehrere Bremer*innen aus besonders zugeparkten Stadtteilen durch alle gerichtlichen Instanzen geklagt. Ihr Ziel: die Verkehrsbehörde dazu zu bringen, gegen das Gehwegparken vorzugehen.
Die Bürger*innen bekamen, mit gewissen Einschränkungen, Recht. Beide Parteien legten wiederholt Rechtsmittel ein; die damals noch grüne Verkehrssenatorin Maike Schaefer wohl, weil sie das Thema auf die bundespolitische Agenda heben wollte. Die Bürger*innen, weil ihnen der Spielraum missfiel, der der Behörde durch das Urteil eingeräumt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte Anfang Juni, jetzt veröffentlichte es die Urteilsbegründung.
„Das Interesse der parkenden Verkehrsteilnehmer an einer ungehinderten Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens ist nicht schutzwürdig“
Schon kurz nach der Verkündung im Juni verbuchte die neue Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) das Urteil als Bestätigung für ihr „ganzheitliches, konzeptionelles Vorgehen“. Man habe zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehweg- und Fahrbahnbreite priorisiert.
Seither gebe es vermehrt Kontrollen; hauptsächlich, um die Rettungssicherheit zu gewährleisten. Man verkündete, dass das Urteil endlich Rechtssicherheit im Umgang mit dem illegalen Gehwegparken schaffe – konkretere Pläne sollten erst nach der Veröffentlichung der Urteilsbegründung feststehen.
Jetzt müssten also konkrete Pläne vorliegen. Man habe die Urteilsbegründung Ende September erhalten, heißt es nun aus dem Mobilitätsressort. Die Senatorin stehe nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Man analysiere nun, was der Inhalt für Konsequenzen habe und werde „voraussichtlich im Laufe des Oktobers“ über konkrete Maßnahmen entscheiden. Auch das Innenressort ist beteiligt.
Ende des Jahres wird dem Senat zudem eine Studie zur Machbarkeit vom Quartiersparken vorliegen. Sie soll feststellen, wo in besonders dichten Stadtteilen außerhalb des öffentlichen Raumes – etwa vor Supermärkten, Kirchen und Sportvereinen – Parkraum geschaffen werden kann.
Schub für die Verkehrswende
Für den Naturschutzbund BUND Bremen ist die Entscheidung ein „Schub für die längst überfällige Verkehrswende“. Mit ihrer Klage hätten die Bürger*innen eine Gerichtsentscheidung mit bundespolitischer Bedeutung herbeigeführt, sagt der Vorsitzende Dieter Mazur. „Politik und Behörden werden in Bremen, aber auch in vielen anderen deutschen Großstädten endlich Maßnahmen ergreifen müssen, um den Verkehrsraum neu zu ordnen.“
Wie auch die Grünen-Fraktion betont Mazur, dass das Urteil eine gute Nachricht sei für Fußgänger*innen, Kinder, Menschen im Rollstuhl, mit Rollator oder Kinderwagen. Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, pocht auf eine zeitnahe Umsetzung durch den Senat. „Gleichzeitig müssen attraktive Alternativen wie Car- und Bikesharing gestärkt werden, um Mobilität im Quartier attraktiv zu gestalten.“
Leser*innenkommentare
celcon52
In München gab es in den 70er oder 80er Jahren einen Fall, da ist ein Passant mit der Begründung, dass ein Gehsteig auch dann ein Gehsteig bleibt, auch wenn darauf Autos stehen, über diese rüber gegangen. Hat er mehrfach getan. Seine Begründung hat ihm nicht geholfen, er wurde wegen Sachbeschädigung angeklagt, und dann irgendwann letztinstanzlich verurteilt. Hat einiges Aufsehen verursacht, aber nicht wirklich was verändert.
celcon52
@celcon52 maxvorstadtblog.de...-michael-hartmann/
Jetzt habe ich einen Blog dazu gefunden.
Ricky-13
taz: *Das Bundesverwaltungsgericht gibt Klägern recht, die gegen zugeparkte Gehwege klagten. Die Behörde kündigt Konkretes an – und lässt wenig folgen.*
Es reicht anscheinend nicht, dass die CO2-Motorkutschen viel Raum für ihre Straßen und öffentlichen Parkplätze verbrauchen, sie müssen auch noch seit Jahren Gehwege und Fahrradwege versperren. Wenn aber Klimaschützer für eine kurze Zeit Straßen blockieren, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, dann wird sofort nach der Polizei und dem Staatsanwalt gerufen; aber Falschparker die Fußgängerwege "vollparken" bekommen nicht einmal mehr einen Strafzettel wegen Falschparken.
Hurra, es lebe das 'Autoland' Deutschland, wo Autos und ihre Besitzer machen dürfen was sie wollen.
Sikasuu
Standardantwort der PKW-Fahrer die immer wieder unsere den Fußweg, incl. der Garageneinfahrt illegal als Parkplatz nutzen:
"Wo soll ich denn sonst parken?"
Standardantwort:
"Da wo es erlaubt ist!"
" Aber, dann muss ich ja suchen & einige hundert Meter laufen!"
...
Hoffnungslos! :-(( Vor allen bei "Events" in der/dem nahen "Halle/Fußballstadien"!
Ps. Die ca. 1.500 -2.000 weit weg ist. DA ist laufen kein Problem, der Weg (das Vorglühen) ist dann ein Teilziel! :-(
Velo07
Die Autobesitzer müssen vor der Obdachlosigkeit ihrer Fahrzeuge geschützt werden. Da muss die Sicherheit und Gesundheit von Kindern zurück stehen.
Francesco
Ich verstehe nicht, warum es da erst Pläne braucht. Es würde doch reichen, Strafzettel zu verteilen. Oder ist die Bußgeldstelle dafür zu überlastet?
Cerberus
@Francesco Das mit der Überlastung ist genau das Problem. Die Ordnungsämter der Städte sind in der Regel nur mit einer Handvoll "Politessen", d.h. Mitarbeiter/innen des Ordnungsamtes zur Ahndung von Verstößen im ruhenden Verkehr, ausgestattet. In einschlägigen Publikationen gehen Stadtplaner davon aus, dass durchschnittlich gerade einmal 2-4% des Verkehrsweges mit der Personalausstattung kontrollierbar sei. Die Polizei hingegen ist bei Verstößen im ruhenden Verkehr (= Parkverstöße) nicht zuständig, würde sie einen "Strafzettel" schreiben, wäre dieser vor Gericht regelmäßig anfechtbar. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Polizei ihren "eigentlichen" Aufgaben der Gefahrenabwehr nachgehen kann und nicht von Stadtverwaltungen als "Politesse" missbraucht wird. Es müssen also Regeln und Gesetze geändert werden, um das Gehwegparken effektiv zu unterbinden. Entweder muss die Personalausstattung der Kommunen angepasst oder der Aufgabenbereich der Polizei erweitert werden.