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Parteitag der britischen ToriesSchwarz, selbstsicher, konservativ

Die britischen Tories stellen sich neu auf. Mit Kemi Badenoch oder James Cleverly würde erstmals eine afrikanischstämmige Person die Partei führen.

Die nigerianischstämmige Kemi Badenoch gehört zu den Favoriten Foto: Toby Melville/reuters

Birmingham taz | Die Schlangen sind lang, die Stimmung ist ruhig. Es ist der erste Parteitag der britischen Konservativen in Opposition seit 15 Jahren, nach der schlimmsten Wahlniederlage ihrer Geschichte im Juli.

„Review and Rebuild“ lautet das Parteitagsmotto – Überprüfen und Wiederaufbauen. Aber eigentlich geht es im Konferenzzentrum im mittelenglischen Birmingham nur um eines: Wer übernimmt die Parteiführung von Expremierminister Rishi Sunak?

Das Rennen läuft seit Monaten, Nach mehreren Wahlgängen in der stark geschrumpften Tory-Fraktion im Unterhaus sind aktuell noch vier Kandidaten übrig. Sie treten in Birmingham täglich auf, stellen sich Fragen, überschütten die Parteitagsdelegierten mit Flugblättern, T-Shirts, Mützen, Bändern, Stickern, Taschen und Broschüren. Nicht selten laufen Mitglieder mit mehreren gut gefüllten Taschen herum, jede von einem der vier.

Wer es zwischen den Ständen der Konservativen Christen, der Konservativen Frauen, der Konservativen Freunde Indiens, Pakistans und Israels bis in den Hauptsaal schafft, kann dort mehr über „Kemi“, „Tom“, „Jenrick“ und „Cleverly,“ erfahren. Moderator Christopher Hope, ein Journalist, stellt Kemi Badenoch, Tom Tugendhat, Robet Jenrick und James Cleverly zwei Tage lang nacheinander dieselben Fragen.

Der Einzelkämpfer: Tom Tugendhat

Tom Tugendhat, der ehemalige Sicherheitsminister und davor Soldat der Spezialkräfte und Nachrichtendienstler, spricht redegewandt im gestochenen Englisch von seiner Militärzeit. Er habe mit allen möglichen Leuten zusammen gedient, etwa ein Mann aus einer zerbrochenen Familien, dessen Mutter die Queen war, witzelt er – gemeint ist Prinz Harry.

Tugendhat gilt als Außenseiter, er entspricht vielleicht zu sehr dem Klischee, das andere über Tories haben: etablierte Familie, teure Privatschule, Soldat in Irak und Afghanistan, Vater war Richter, der Oinkel saß schon im Parlament. Er spricht von Charakter und Führung. Er wolle für die Tories die nächsten Wahlen gewinnen und bisher habe er noch nie ein Ziel verfehlt, protzt er im blauen Anzug mit blauer Krawatte, muss später aber rechtfertigen, wieso er 2022 die unglückliche Liz Truss unterstützte. Gewinnen – wie denn? „Wir müssen den Glauben wiederaufbauen“ sagt der bekennende Katholik. Ihm geht es um Freiheit, Wirtschaftswachstum, niedrige Steuern.

Die Kantige: Kemi Badenoch

Kemi Badenoch gehört demgegenüber zu den Favoriten. Die nigerianischstämmige ehemalige Handels- und Gleichberechtigungsministerin betritt den Saal im weinroten Hosenanzug, im Unterschied zu Tugendhat lächelt sie. Wieso bewirbt sie sich? „Ich bin die sichere Option,“ antwortet sie. „Ich tue, was ich verspreche.“ Sie sage ehrlich, was ist, und komme schnell zum Punkt.

Der Journalist Hope fragt sie, wieso sie dann am Sonntag im Radio etwas gesagt habe, das sich so anhörte, als sie sei gegen Lohnfortzahlung für Mütter in der Elternzeit. Man habe sie missverstanden, sagt Badenoch. Dann spricht sie von der Neudefiinition konservativer Grundwerte: Eigenverantwortung, Familiensinn. „Wir hatten oft Politik ohne Prinzipien, aber es sind unsere Werte, die Menschen anziehen.“

Hope will nun mehr über eine andere Behauptung von Badenoch wissen, nämlich dass sie aus der Arbeiterklasse stamme, dabei gehörte ihre Familie in Nigeria zur gutsituierten Mittelschicht. Ja, bestätigt Badenoch, aber als sie als junges Mädchen nach London geschickt wurde und alleine lebte, musste sie sich durchkämpfen, sie jobbte bei McDonalds nach dem Schulunterricht. „Ich musste überall zu Fuß hingehen, hatte manchmal zu wenig zu essen, musste arbeiten und alles selber tun, um zu überleben. Wenn das nicht Arbeiterklasse bedeutet, dann weiß ich nicht was es bedeutet.“

Und wie findet sie es, dass sie die erste schwarze konservative Parteiführerin afrikanischen Hintergrunds werden könnte? Da erntet Badenoch Applaus mit einem durch Bob Marley berühmt gewordenen Haile-Selassie-Zitat: „The colour of your skin has no more significance than the colour of your hair or eyes“ – Hautfarbe ist nicht wichtiger als Haar- oder Augenfarbe. Zur Migration gefragt, sagt sie, man müsse anders als früher heute die Einwanderung eindämmen. „Wir müssen an die nächste Generation denken und nicht nur daran, wer heute unsere Hintern abwischt.“

Der Rechte: Robert Jenrick

Am nächsten Tag stellen sich die beiden anderen Kandidaten. Robert Jenrick war als Einwanderungsminister unter Rishi Sunak zurückgetreten, nachdem er zur Durchsetzung des gescheiterten Ruanda-Plans zur Auslagerung von Asylverfahren vergeblich den Austritt Großbritanniens aus der Zuständigkeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs EGMR gefordert hatte. Heute vertritt er eindeutig den rechten Parteiflügel und haut in dieselbe Kerbe. In einem Kampagnenvideo behauptet er, die EGMR-Mitgliedschaft zwinge britische Soldaten im Antiterrorkampf dazu, Terroristen zu töten, denn wenn man sie bloß festhalte, würde der EGMR sie wieder auf freien Fuß setzen.

Diesen Unsinn nehmen ihm jetzt viele in der Partei übel, gerade die mit Militärvergangenheit. Befragt, bleibt er dabei. „Wir können deswegen nicht das gleiche wie die USA machen“, sagt Jenrick – gemeint ist Internierung im Guantanamo-Stil – im blauen Anzug mit grüner Krawatte.

Dann erfahren die Versammelten im vollen Saal, dass Jenrick einer seiner Töchter den zweiten Vornamen „Thatcher“ gab, da sie am Tag geboren wurde, als die verehrte Expremierministerin starb. Jenrick wirkt wie die Parodie eines Tory-Rechten. Wer ihm zuhört, hört Echos von Nigel Farage, aber blasser. Er greift vor allem andere Parteien an.

Der Erfahrene: James Cleverly

Dem letzten Kandidaten James Cleverly wurden zu Beginn geringe Chancen eingeräumt, aber inzwischen ist er das Schwergewicht im Rennen. Er war schon Tory-Geschäftsführer und kennt den Parteiapparat, er war Außen- und Innenminister, zwei der wichtigsten Regierungsämter. Mit beiläufigen Nebensätzen wie „Als ich Selenskyj besuchte“ oder „Ich warnte den chinesischen Außenminister in Beijing direkt“ kann er den Saal beeindrucken und spricht obendrauf von seiner Militärvergangenheit als Zeugnis gemeinsamer verantwortungsbewusster Arbeit.

Der Saal erfährt von Cleverly Mutter aus Sierra Leone und davon, dass sein englischer Vater auch von Einwanderern abstammt, nämlich den Normannen vor fast tausend Jahren. Auch er trägt einen blauen Anzug mit grüner Krawatte und sagt: „Mit mir kriegt ihr, was ihr seht, ich bin ein offenes Buch.“ Er grenzt sich klar vom rehten Flügel ab: Die Tories müssten eine offene, tolerante und relevante Partei sein, denn sie verliere Wähler nicht nur nach rechts, sondern auch in die Mitte. Cleverly wirkt selbstsicher und charmant.

Die Basis ist hin- und hergerissen

Es gibt zwischen den vier viele Gemeinsamkeiten: Sie alle wollen nicht mit Reform UK und Nigel Farage arbeiten, sondern die Konservativen wiederbeleben und „unsere Wähler“ zurückgewinnen. Die Unterstützung Israels und der Ukraine ist Konsens, ebenso die Wiederaufnahme der Erdgasförderung in der Nordsee, und alle sind sich einig, dass die Partei in der Regierung ihre Versprechen nicht gehalten habe und zu Recht abgewählt worden sei.

Am letzten Tag, als alle vier nochmal vor dem Plenum auftreten. ist der Jubel für zwei Kandidaten besonders groß: James Cleverly und Kemi Badenoch, die beiden Schwarzen. Cleverly spricht souverän wie ein Chef, preist die Vergangenheit und die Zukunft der Tories und fordert einen freundlichen Konservativsmus, optimistisch, ja „normal“.

Badenoch kontrastiert mit einem kantigen Auftreten im Stil Margaret Thatchers, sie erinnert die Delegierten an die Vorzüge der britischen Gesellschaft gegenüber einem Aufwachsen in ständiger Angst wie in Nigeria, und sie entwirft ein komplettes Reformprogramm für die 2030er Jahre, in dem der Staat einer vereinten Gesellschaft dient und der Kapitalismus nicht nur für Großunternehmen da ist.

So manche befragte Delegierten halten dennoch zu Jenrick und seinen klar rechten Kurs. „Wir müssen eine starke Opposition bilden und Labour bloßstellen“ sagt der pensionierte Polizeibeamte John Watts aus Newcastle. Jenricks sei das beste Bollwerk gegen Reform UK, findetn auch die Geschwister India und Amelia Tibbs, 26 und 21 Jahre alt.

Beifall für Cleverly und Badenoch

Dem Londoner Augustus Roberts, 20, ein junger Student mit schulterlangen Dreadlocks, gefällt James Cleverly am besten, da er die moderate Stimme darstelle. „Er kann Argumente gegen Keir Starner gewinnen“, glaubt er. Man müsse zeigen, dass die Partei kein elitärer Klub sei, sondern Leuten helfe, sich von unten hochzuarbeiten.

Der 55jährige Armeeveteran Mark Dunkley ist für Kemi Badenoch. „Sie sieht das größere Bild. Sie ist nicht machtversessen, sondern will die Partei neu aufbauen“, sagt er. Ihm stimmt der 80jährige Londoner Rentner Robin zu, der seinen Nachnamen privat halten will: „Kemi ist sehr intelligent, denkt schnell und akzeptiert keinen Bullshit“.

Glaubt man dem Beifall am Ende des Parteitages, müssten Cleverly und Badenoch das Rennen machen, wenn die Parlamentsfraktion am 9. und 10. Oktober unter den vier Kandidaten die zwei Spitzenreiter bestimmt, die den Mitgliedern bis Anfang November in einer Urwahl zur Wahl gestellt werden – zwei Bewerber mit afrikanischem Migrationshintergrund also. Das wäre ein Handstreich gegen die Labour-Partei, die bis heute immer nur von weißen englischen Männern geführt worden ist. Ob die Tory-Abgeordneten sich das trauen?

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2 Kommentare

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  • Warum sollten die Tories sich das nicht trauen? Sie hatten schon diverse Frauen, Schwule und einen Asiaten als Vorsitzenden und Premier.



    Und das ganz ohne Quote(n).



    Da Cleverly ein Sunak 2.0 sein würde, kann man als Tory eigentlich nur Kemi wählen.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Schön. Dann gibts ne neue Maggie Thatcher, bloß eben andersfarbig. Und alle sind zufrieden. Die Linken, weils ne schwarze Frau ist, die Rechten weils ne Thatcher ist. Sunak war ja auch schon eine PoC. Hat nicht viel anders Politik gemacht.

    Besser kann man die Absurdität der postmodernen Linken nicht „dekonstruieren“.



    Ist eigentlich wie die Quote bei Vorstandsposten. Bisschen Gender-Kosmetik, aber die Ausbeutungsverhältnisse bleiben dieselben.

    Der Kapitalismus kann sehr gut „woke“ sein. Das hilft sehr, die wahren Machtverhältnisse zu verschleiern und dabei die gesellschaftliche Linke in ihren Diskursbestimmenden Teilen zu absorbieren.